Nach acht bis zwölf Jahren ist es für Seelsorger*innen im Bistum Basel an der Zeit, über einen Neuanfang in einer anderen Pfarrei nachzudenken. Foto: Harald Oppitz/KNA
Langjährige Pfarreileitung – Wann ist es genug?
Bistum Basel empfiehlt regelmässigen Stellenwechsel
Im Bistum Basel gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Alle Leitungspersonen in der Seelsorge sollten nach acht bis zwölf Jahren ihren Arbeitsort wechseln. Wie sieht das im Kanton Bern aus?
Von Christian Breitschmid* und Sylvia Stam
Seit wann diese Regel im Bistum Basel gilt, das kann der diözesane Personalverantwortliche, Andreas Brun (links, Foto: zVg), nicht genau sagen, aber: «Als ich 1994 die Berufseinführung hier begann, gab’s diese Regel auf jeden Fall schon länger. Es ist auch weniger eine Regel als vielmehr ein Bestreben, den Leitungspersonen in der Seelsorge neue Perspektiven zu eröffnen. Ein Wechsel, so alle acht bis zwölf Jahre, ist sowohl für die Pfarrei als auch für ein Team und für die Leitungsperson selbst anregend und inspirierend.» Darum hält Bischof Felix an der bewährten Regel fest, auch wenn beim aktuellen Seelsorger*innenmangel eine freigewordene Stelle oft nicht nahtlos wiederbesetzt werden kann.
«Unsere Personaldecke ist dünn», bestätigt Andreas Brun, «und sie nimmt noch weiter ab. Es fehlt uns an Nachwuchs, und dadurch sind wir sehr gefordert. Wenn jemand per 31. eines Monats an einem Ort aufhört, dann kann man nicht davon ausgehen, dass am 1. schon die neue Person anfängt. Wir haben viele offene Stellen, aber die Faustregel bleibt dennoch sinnvoll, auch mit weniger Leuten.»
Diakon Andreas Brun, der seit 1. Juli 2020 zusammen mit Donata Tassone-Mantellini (rechts, Foto: zVg) die Personalverantwortung im Bistum Basel innehat, vergleicht die Personalwechsel in der Diözese mit der Blutauffrischung in einem Verein oder mit der Waldpflege, wo Bäume aus dem Bestand gehauen werden, um neu aufzuforsten: «Wenn ich einen Wechsel vornehme, bringt das neues Leben.»
«Ein Wechsel tut gut»
Wenn die liebgewordene Pfarreiseelsorgerin oder der Pfarrer, Diakon, Gemeindeleiter, der so viel für die Gemeinde getan hat, weiterziehen, geschieht das aus gutem Grund: «Ein Wechsel tut gut», sagt Andreas Brun. «Auch in der Privatwirtschaft bleibt heute niemand mehr ewig an der gleichen Stelle. Durch einen Wechsel kann man Gewohnheiten leichter verändern und sich innerlich neu ausrichten.»
Man müsse sich auch bewusst sein, so der erfahrene Gemeinde-¬ und Pastoralraumleiter weiter, dass man als Seelsorger*in nie alle Pfarreimitglieder in gleichem Masse anspreche. Da könne dann ein Wechsel durchaus für beide Seiten eine Chance bedeuten.
Biblische Wüstenwanderung
Christine Vollmer (links, Foto: zVg) ist seit 2016 Gemeindeleiterin in der Pfarreien St. Josef, Köniz und St. Michael, Wabern. Davor war sie 14 Jahre in Biel tätig, davon 9 als Gemeindeleiterin. «Grundsätzlich finde ich diese Regelung sinnvoll», sagt sie im Gespräch mit dem «pfarrblatt». Denn irgendwann würden Dinge zur Gewohnheit, «man ist vielleicht nicht mehr gleich aufmerksam für Prozesse wie beim Antritt einer neuen Stelle». Dennoch räumt sie ein, dass in der Leitung einer Gemeinde der Aufbau von Beziehungen sehr wichtig sei, sodass eine Dauer von 10 Jahren durchaus angebracht sein könne.
Ihr eigener Wechsel nach Köniz und Wabern sei von ihr ausgegangen: «Ich sah darin eine Chance, beweglich und flexibel zu bleiben, für mich selbst und für die Gemeinde.»
Gabriele Berz (rechts, Foto: zVg), seit 2017 Gemeindeleiterin in Spiez, erinnert die Faustregel des Bistums an das Bild vom Zelt in der Wüstenwanderung: «Es entspricht der biblischen Tradition, sich nicht einzurichten, sondern auf dem Weg zu bleiben.» Auch wenn dies für die Pfarrei und für die Leitungsperson ambivalent sein könne, weil man sich aneinander gewöhnt habe. Den Wechsel nach Spiez hat sie nach 18 Jahren als Pfarreiseelsorgerin in Horw ohne Leitungsfunktion als «belebend und inspirierend» erlebt. Die Familie war der Grund für diese lange Dauer. Entsprechend hat sie Verständnis dafür, dass die Faustregel für Leitungspersonen mit Familie zu Interessenkonflikten führen kann.
Gemeinsame Suche
«Entweder nehmen die Leute mit uns Kontakt auf, weil sie sich neu ausrichten oder weiterentwickeln wollen, oder es läuft vielleicht nicht so gut in ihrer Pfarrei, und sie möchten an einem anderen Ort neu starten», erläutert Andreas Brun vom Personalamt.
Aber auch von Seiten der Personalstelle wird das Gespräch gesucht, wenn die Zeit reif ist: «Wir suchen auch von uns aus den Kontakt, gerade, wenn jemand schon länger an einer Stelle ist. Dann fragen wir mal nach, wie sie oder er die Zukunft sieht, beurteilen die Kompetenzen und suchen gemeinsam nach der besten Lösung. Seelsorgerinnen und Seelsorger sind Wanderarbeiter und werden im Alter eher gerne sesshaft.» Niemand, auch kein Priester, wird zu einem Wechsel gezwungen. Im Bedarfsfall setzt das Bistum mehr auf Überzeugung als auf Zwang.
Niemand wird gezwungen
Regina Müller (links, Foto: zVg), Pfarreileiterin in Belp, bestätigt das. Sie ist seit 1993 im Amt. «Ich wurde nie zu einem Wechsel gezwungen», sagt sie auf Anfrage. Als Gründe für die lange Amtsdauer nennt auch sie die Beziehungsarbeit: «Es braucht drei bis vier Jahre, ehe man die Leute kennt. Es gab bei uns einige personelle Wechsel in der Katechese und in der Sozialarbeit. Da war es mir wichtig, Kontinuität zu gewährleisten, beispielsweise als Ansprechperson für die Ökumene.» Auch auf reformierter Seite seien die Leitungspersonen schon länger im Amt. Dadurch sei die Zusammenarbeit mittlerweile sehr effizient.
Langweilig wurde es Regina Müller in den 28 Jahren nie. «Die Gesellschaft verändert sich rasch, viele Leute engagieren sich heute punktuell, dadurch haben wir immer wieder mit anderen Menschen zu tun.» Zudem würden auch neue Projekte angerissen, etwa ein Katechese-Projekt für 5. bis 8. Klassen. Der Faustregel an sich kann sie durchaus etwas abgewinnen: «Für die Leitungsperson kann es eine neue Herausforderung sein, für die Pfarrei gibt es neuen Wind.» Dies wird nächstes Jahr auch in Belp der Fall sein: Regina Müller wird im Herbst 22 in Pension gehen.
*Dieser Beitrag erschien zuerst im Aargauer Pfarrblatt «Horizonte». Der Artikel wurde für den Kanton Bern adaptiert.