
Der bekannteste Bau von Le Corbusier: Die Chapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp. Foto: Wikipedia/Wladyslaw
Le Corbusier: Der Künstler als Weltenschöpfer
Seit dem 8. Februar ist im Paul-Klee-Zentrum unter dem Titel «Die Ordnung der Dinge» das Werk von Le Corbusier zu sehen. Corbusier gilt als der bedeutendste Architekt der modernen Zeit und prägt bis heute die Vorstellungen von moderner Architektur. Seit 2016 gehören 17 seiner Bauten in sieben Ländern zum UNESCO-Welterbe. Sandro Fischli hat sich die Ausstellung angesehen.
Sandro Fischli
Im Hinblick auf den Entdeckergeist von Le Corbusier, den neugierigen Forscher und vielseitigen Gestalter mit dem Drang nach dem ganz Grossen, waren da zunächst die Bedenken, wie dieser mit dem kleinformatigen Klee überhaupt in Beziehung gebracht werden kann. Allerdings hatten vergangene Ausstellungen bereits gezeigt, dass eigentlich fast nichts in der Kunst des mittleren 20. Jahrhunderts nicht mit Klee in Verbindung gesehen werden kann.
Gleich im Eingangsbereich wird die Spannweite Corbusiers ersichtlich: 20 Jahre nach seiner Lehre als Graveur und Ziseleur für die Uhrenbranche in La Chaux-de-Fonds verfasste er seine programmatische Schrift „Vers une architecture“ (Fünf Punkte zu einer Architektur – sinngemäss: auf eine wohl von ihm endlich richtig verstandene Architektur hin). Vom klitzekeinen aufs übergrosse Räderwerk hin. Dieses Buch zeigt allerdings ein enormes autodidaktisches kunsthistorisches Wissen.
Seine Architektur beginnt buchstäblich mit einer Anordnung von Objekten, die den umliegenden Raum gestalten, er malt diese Anordnungen, auf der Leinwand ordnen sie die Flächen, seine kleinen Bilder gemahnen tatsächlich an Klee, sie gefallen mir am besten. Seine Architektur besteht nebst seinen bekannten Monumenten eigentlich mehr in seinen Theorien als im Bauen. (Tom Wolfe schreibt in seinem polemischen Essay „Vom Bauhaus zu unserem Haus“, die berühmtesten Architekten seien eigentlich jene, die mehr geschrieben, gelehrt als gebaut hätten.) Sein Alterswerk allerdings, die Kapelle in Ronchamps, stellt den Kopf wieder auf die Füsse, Wenn Sie einmal dorthin fahren, unweit ennet der Grenze, werden Sie sehen können, wie massvoll dieser Bau in der Landschaft steht. In der Ausstellung ist ein wunderschönes Holzmodell zu sehen.
Die Bilder, Objekte, Teppichentwürfe von Le Corbusier sind ästhetisch spannend und ansprechend, aber eigentlich nichts genuin Neues, er scheint einfach den ganzen Zeitgeist wie ein Schwamm in sich aufgesogen und treffsicher wiedergegeben zu haben. Aber seine Visionen in der Architektur und im Städtebau haben etwas Unheimliches: dieses Abreissen, Umkrempeln und Neubauen ganzer Städte oder wie es auf der Website der Ausstellung heisst: «Er strebte in seinem Werk an, Wohn- und Stadträume neu zu gestalten.»
Von früh auf trat Le Corbusier als Welterklärer und als Lehrer geradezu prophetisch auf. Eine masslose Anmassung oder anmassende Masslosigkeit, die er als Gross-Architekt allerdings mit einigen anderen der Moderne teilte.
Wegen seiner Sympathie und Verbindung zum Faschismus ab den 1920er Jahren ist Le Corbusier bis heute umstritten. Der Vorwurf ist vielleicht dahingehend zu differenzieren, als dass die Moderne, sei es nun links oder rechts, in ihrem wahnhaften Bestreben, «alle Dinge zu ordnen», in sich bereits totalitär war. Ambivalentes war unerwünscht.
Schöpferisch tätig sein, ist das Wesen von Künstler:innen, Paul Klee verkörperte das exemplarisch. Aber die Rolle als Weltenschöpfer, Weltenplaner, exemplarisch bei Le Corbusier, steht ihnen nicht zu.
Anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums widmet das Zentrum Paul Klee Le Corbusier eine grosse Ausstellung. Die Ausstellung widmet sich dem Arbeitsprozess des schweizerisch-französischen Künstler-Architekten, Designers und Stadtplaners und stellt Le Corbusiers plastisches Denken in den Vordergrund. Sie bietet einen umfassenden Überblick über sein gesamtes Schaffen aus einer künstlerischen Perspektive und zeigt sowohl ikonische Exponate als auch bisher weitgehend unbekannte Werkgruppen.
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