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Liebevolle Verbundenheit

30.04.2021

Eine Kolumne der Seelsorger*innen am Inselspital Bern.

Vielleicht haben auch Sie den Roman «Die Pest» von Albert Camus schon während des Lockdowns in der ersten Welle der Pandemie aus dem Regal gezogen. Sie haben den 1947 erschienenen Roman seit ihrer Schulzeit wieder einmal in die Hände genommen und darin gelesen. Nun mit neuen Augen vor dem Hintergrund von Corona. Denn in der «Pest» gibt es zahlreiche Parallelen zu unserer augenblicklichen Zeit.

In dem Roman des französischen Humanisten Camus kommen vor allem männliche Hauptpersonen vor. Frauen haben da eher eine Randexistenz. So zunächst auch die Mutter des Hauptdarstellers, des Arztes Dr. Rieux. Sie kommt, um ihren Sohn zu unterstützen, da Rieux’ Frau an Tuberkulose erkrankt ist und gleich zu Beginn in ein Sanatorium ausserhalb der Stadt reist, um sich zu erholen. Doch auf den zweiten Blick wird klar, dass seine Mutter eine stille und unerschrockene Frau ist. Nach der Abreise seiner Ehefrau führt sie ihm den Haushalt. Mit ihr scheint immer alles leicht, und in ihrer Gegenwart nimmt auch Rieux’ Irritation über die toten Ratten ab, die die Pest ankündigen: Die Mutter überträgt ihre Furchtlosigkeit auf ihn. Sie ist diejenige, die seine Arbeit still begleitet, indem sie einfach da ist und so die Liebe zu ihrem Sohn zeigt.

Gegen Ende des Romans, wo es heisst, dass Rieux´ Freund Tarroux schwer erkrankt ist, trägt die Mutter wie selbstverständlich den Entscheid gegen die offizielle Anordnung mit, den Freund zu Hause zu begleiten. Nach dem Tod des Freundes halten sie eine stille Totenwache an seinem Bett. Rieux’ Mutter blickt den von der täglichen medizinischen Arbeit erschöpften Sohn an: «Er wusste, was seine Mutter dachte und dass sie ihn in diesem Augenblick liebte.» Die innige Verbundenheit spürte er in diesem Moment mehr, als es Worte vermögen.

Und Rieux stellte es auch bei allen Menschen in Notsituationen fest: «Wenn es etwas gibt, das man immer ersehnen und manchmal auch erhalten kann, so ist es die liebevolle Verbundenheit mit einem Menschen.»

Isabella Skuljan, kath. Seelsorgerin

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