Pfarreileiter Herbert Gut und Pfarreiseelsorgerin Ingrid Bruderhofer leben bereits eine geschwisterliche Kirche. Hier: Ostergottesdienst in der Kirche St. Johannes in Luzern. Foto: Roberto Conciatori

Luzern lanciert Reformen von unten

15.04.2021

In zehn Schritten zu einer geschwisterlichen Kirche

Die Katholische Landeskirche Luzern wagt einen Aufbruch von unten: In einem Flyer zeichnet sie zehn konkrete Schritte hin zu einer geschwisterlichen Kirche von Männern und Frauen. Gefordert sind in erster Linie Pfarrei- und Pastoralraumleitende.

Von Sylvia Stam

«Wir dürfen nicht warten, bis sich die Kirche von oben erneuert. Wir müssen selber vor Ort Verantwortung übernehmen, jede und jeder Einzelne», sagt Herbert Gut, Leiter der Pfarrei St. Johannes in Luzern. «Dies geschieht im Dialog mit dem Pfarreiteam, mit der Pastoralraum- und mit der Bistumsleitung. Es ist ein langer Weg, ein Ringen, das Geduld braucht.» Mit diesen Worten umschreibt Gut das Anliegen der «Arbeitsgruppe für eine geschwisterliche Kirche» (AG), zu der er gehört.

Auftrag des Synodalrats

Die AG agiert im Auftrag des Synodalrats der Luzerner Landeskirche. Sie hat in einem Flyer zehn Schritte erarbeitet, die zu einer Kirche führen sollen, welche «Gleichberechtigung im Sinne des Reiches Gottes» konsequent umsetzt, wie es im Flyer heisst. Genannt werden einerseits Grundhaltungen wie «Vertrauenskultur», «Bescheidenheit» oder «Gleichberechtigung», andererseits aber auch Visionen, die gemäss der AG anzustreben sind: Unter «Erneuerung des Gottesbildes» heisst es etwa: «Alle Mitarbeitenden in der Verkündigung eignen sich eine Fülle von Gottesbildern an, die nicht ausschliesslich männlich, sondern explizit auch weiblich sind.»

«Die Kirche hat vielen Gläubigen durch ihre patriarchale Prägung auch ein patriarchales Gottesbild vermittelt», sagt Gut. Hier gehe es in einem ersten Schritt darum zu erkennen, dass diese Prägung gewachsen und nicht endgültig sei. Es brauche eine Weite von Gottesbildern, «wenn eine geschwisterliche Zusammenarbeit der Geschlechter in der Kirche möglich werden soll.»

Pastoral der Präsenz

«Pfarreileitungen fördern eine Pastoral der Präsenz und verzichten auf den Einsatz von Priestern ohne starken Bezug zur Pfarrei», lautet Schritt vier. Wie aber soll dies geschehen in Anbetracht des Priestermangels? «Wir müssen von den Bedürfnissen der Menschen vor Ort her denken, und nicht von den zum Teil vorhandenen Priestern», kontert Herbert Gut die Frage. Entsprechend sind laut Schritt fünf «alternative Formen» zu suchen, «damit Männer und Frauen das Mahl Jesu» feiern könnten.

Wortgottesdienste mit Kommunion seien für viele Seelsorgende keine befriedigende Alternative, sagt Gut. «Die Wandlung vom Menschlichen ins Göttliche, der Leib Christi entsteht im gemeinsamen Feiern. Das lässt sich nicht konservieren.» Wie solche alternativen Formen aussehen könnten, das müsse im gemeinsamen Gespräch erarbeitet werden.

Soll also jede Pfarrei nach eigenen Formen des Mahls suchen? Gut verneint entschieden. «Pastoralraumleitende sollen den Rahmen vorgeben, damit ein Zusammenspiel von Einheit und Vielfalt gewährleistet bleibt. Es geht um unsere Glaubwürdigkeit.»

«Gangbare Schritte»

Wie aber kommt der Flyer an der Basis an? Nicht alle angefragten Pfarrei- und Pastoralraumleitenden wollen zu dieser Frage öffentlich Stellung nehmen. Die beiden, die es tun, begrüssen die zehn Schritte. «Der Flyer zeigt realistische Möglichkeiten auf und ist auf einen gemeinsamen Weg angelegt», sagt Andreas Wissmiller, der den Pastoralraum Region Willisau leitet. Das sieht auch Edith Pfister so, sie leitet den Pastoralraum Pfaffnerntal-Rottal-Wiggertal. Beide wollen den Flyer denn auch in ihrem Team diskutieren.

«Die Frage nach der religiösen Sprache müssen wir uns bei allen unseren Aufgaben stellen: in der Liturgie, im Unterricht etc. Wie wir von Gott reden, ist prägend für unser Gottesbild», sagt Edith Pfister im Bezug auf das zu erneuernde Gottesbild.

Skeptischer sind sie bei den alternativen Mahlfeiern: Die Wortgottesfeiern mit Kommunion hätten sich zwar bewährt, blieben aber ein Kompromiss, sagt Wissmiller. «Wenn sorgfältig überlegte neue Formen zu besseren Möglichkeiten führen, bin ich offen dafür.» Ein Experimentierfeld sieht er hier jedoch nicht. «Der Königsweg bleibt für mich die Weihe von verheirateten Priesterinnen und Priestern und Eucharistiefeiern mitten unter den Gläubigen, auch räumlich, mit hoher liturgischer Beteiligung aller Anwesenden.»

Mut zusprechen

Auch Edith Pfister begrüsst die Suche nach anderen Formen grundsätzlich. Einen Rahmen vorgeben, wie es der Flyer vorschlägt, möchte sie jedoch nicht: «Es gibt die sakramentale Form, und es gibt alternative Formen, wie Menschen zusammen Mahl feiern können. Wenn eine Katechetin mit einer Gruppe Brot und Wein teilt, möchte ich ihr vielmehr Mut zusprechen: Auch hier passiert etwas Heiliges.» Allerdings verweist auch sie auf das ungelöste Grundproblem, «dass das Sakrament an die Weihe und diese an das männliche Geschlecht gebunden ist.»

Ideal wäre aus Wissmillers Sicht, wenn das Thema in der Regionalen Pastoralraum-Leiter*innen-Konferenz diskutiert würde, die von der Bistumsleitung geleitet wird. Er kann sich vorstellen, die «zehn Schritte» dort einzubringen.

«Luzern kann das nicht allein»

Die AG sieht ihre Arbeit auf derselben Linie wie etwa die Junia-Initiative oder die «Allianz gleichwürdig katholisch» auf nationaler Ebene. «Es ist wichtig, dass die Forderungen nach Geschwisterlichkeit und Gleichberechtigung von verschiedenen Seiten kommen, denn wir können das nicht in Luzern alleine», sagt Iva Boutellier, Mitglied der Arbeitsgruppe.

 

Hinweis: Wer die zehn Schritte mittragen möchte, kann sich hier mit Namen eintragen.

 

1000 Exemplare des Flyers wurden letzte Woche an alle Pfarrei- und Pastoralraumleitenden, Kirchenrät*innen und Synodalen des Kantons Luzern verschickt, ausserdem an Ordinariat und Bischofsrat.

Auslöser war eine Frage des Basler Bischofs Felix Gmür: Am Schlussanlass des Pilgerprojekts «Für eine Kirche mit* den Frauen» 2016 in Rom soll er um konkrete Vorschläge für eine geschwisterliche Kirche gebeten haben. Eine Stellungnahme von Bischof Gmür ist für Freitag zugesagt.