«Wir sind hierhergekommen, um uns zu stärken»: Anna Borean, Barbara Moser, Brigitte Schweizer, Rosmarie Umaparan, Elisabeth Schär(v.l.n.r.). Foto: Vera Rüttimann

«Mache dich auf und werde Licht»

04.12.2023

Adventsgottesdienst des Heilpädagogischen Religionsunterrichts im Berner Münster

Am 3. Dezember fand im Berner Münster der ökumenische Adventsgottesdienst des Heilpädagogischen Religionsunterrichts, KUW und HRU, statt. Ein bewegender Anlass für die Kinder und ihre Eltern.

Von Vera Rüttimann

Draussen sind es gefühlt minus zehn Grad. Der Winter hat Bern erreicht. Vor dem Münster quirliges Adventsmarkt-Treiben. Drinnen sitzen in den Bänken Menschen mit und ohne Behinderung, Familien mit Kindern und Jugendlichen und Besuchende jeden Alters. Eine bunte Gemeinschaft.

Die Besucher:innen kommen aus verschiedenen Orten und Situationen. «Wir sind hierhergekommen, um uns zu stärken», sagt die Katechetin Barbara Moser. Neben ihr sitzen im Chor die katechetisch Tätigen Anna Borean, Barbara Moser, Brigitte Schweizer, Rosmarie Umaparan und Elisabeth Schär.


Geburt Jesu als Schattenspiel

Im Zentrum dieses Gottesdienstes steht die Weihnachtsgeschichte. Das grosse Wunder von Bethlehem. «Es ist eine besondere Geschichte. Eine, die Hoffnung macht. Und wir erzählen sie jedes Jahr wieder neu», sagt Brigitte Schweizer, Verantwortliche für den Heilpädagogischen Religionsunterricht (HRU) der katholischen Fachstelle Religionspädagogik.

Was sie damit meint, sehen die Besucher:innen gleich selbst. Brigitte Schweizer schiebt mit anderen eine grosse Leinwand in den Chor. Die Geschichte Jesu Geburt wird von den Katechetinnen und Kindern mit Figuren gespielt, die Schatten auf die Leinwand werfen.


Gesprochen wird der Text von der Katechetin Elisabeth Schär auf berndeutsch: Der Engel besucht Maria. Sie werde ein Kind erwarten. Sie solle keine Angst haben. Er werde dereinst der Sohn Gottes sein. Die Kinder machen bei jeder Szene Geräusche mit Instrumenten, wie einer Tschinelle, zwei Hölzern oder einem Xylophon.

1,7 Millionen

Brigitte Schweizer vom HRU und Jacqueline Forster, Verantwortliche für die Heilpädagogische KUW, erinnern daran, dass heute der «Internationale Tag der Menschen mit Behinderung» gefeiert wird.


In der Schweiz, wird informiert, leben rund 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung. Ein Fünftel der gesamten Bevölkerung. «Dieser Tag möchte darauf aufmerksam machen, dass Selbstbestimmung und Partizipation für diese Menschen in allen Lebensbereichen eine Selbstverständlichkeit sein sollte», fügen die beiden Frauen an.

Mit einem «Sternen-Guezli» für alle Gottesdienstbesucher:innen, das die Schüler:innen im Unterricht der Heilpädagogischen KUW und RU gebacken haben, wolle man dafür sensibilisieren. Das ist notwendig, wie man auf dem Münsterplatz beobachten kann: Noch immer fühlen sich viele unsicher und überfordert, wenn ihnen behinderte Kinder begegnen. Wie soll ich auf sie reagieren, scheinen sich viele zu fragen.


Unglaubliche Lebensfreude

Zum Vater-Unser gesellen sich einige Kinder zu den katechetisch Tätigen in den Chor. Eines im Rollstuhl mit seiner Mutter. Sie beten mit Gebärdensprache, damit es alle verstehen. Im Gottesdienst wird zudem das Lied «Mache dich auf und werde Licht» gesungen. Die Katechetinnen entzünden vorne ein Licht. Leuchtende Kerzen im «Gläsli» werden weitergereicht. Nicht nur in diesem Moment strahlen die Kinder mit Behinderung eine unglaubliche Lebensfreude aus.

 

Anna-Maria

Im Gottesdienst waren auch Miroslav und Maria Baco. Ursprünglich aus der Slowakei, leben sie seit elf Jahren in der Nähe von Bern. Ihr Kind heisst Anna-Maria. Die 14-Jährige war drei Jahre alt, als sie in die Schweiz kam. Sie hat Trisomie-21. Sie besucht den heilpädagogischen Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung, den die Landeskirche anbietet.

Seit mehreren Jahren kommt Anna-Maria mit ihren Eltern zu diesem Gottesdienst. Maria Baco sagt: «Wenn sie lächelt und hopst, dann bedeutet das, dass es für sie die grösste Freude war.»

Besonders habe ihr gefallen, dass sie während des Schattenspiels auf dem Xylophon spielen konnte. Auch die Geschichte über die Geburt-Jesus habe ihr gefallen. «Wir glauben, dass sie sie verstanden hat», sagt Maria Baco. Sie müsse ihr Kind immer im Auge behalten: «Ich muss vorbereitet sein auf alles. Kinder mit Behinderung können unerwartet auf Situationen reagieren.»

Dieser Gottesdienst gibt den Eltern viel. Miroslav Baco sagt: «Es geht auch darum, dass wir mit unserem Kind und mit den anderen zusammen etwas Gemeinsames erleben können.»