«Die meisten wünschen sich eine Verbesserung der Beziehung», sagt Maya Abt. Foto: Engi Akyurt, unsplash.com
«Männer engagieren sich in Beziehungen mehr als früher»
Interview mit Maya Abt, Fachstelle Ehe-Partnerschaft-Familie
Ob Trennung, Affäre oder Beziehungskrise - die Fachstelle «Ehe-Partnerschaft-Familie» der Katholischen Kirche Region Bern berät Menschen unabhängig von Konfession oder sexueller Orientierung. Dass Label «katholisch» kann da schon mal hinderlich sein, sagt die Psychotherapeutin Maya Abt*.
Interview: Sylvia Stam
«pfarrblatt»: Was für Menschen suchen die Fachstelle «Ehe-Partnerschaft-Familie» auf?
Maya Abt: Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, Altersgruppen und Religionen. Paare mit Migrationshintergrund, gleichgeschlechtliche Paare, junge oder solche, die schon 30 oder 50 Jahre zusammen sind.
Mit welchen Fragen kommen die Paare?
Die meisten wünschen sich eine Verbesserung ihrer Beziehung. Oft ist die Kommunikation in eine Schieflage geraten, sie können sich nicht mehr austauschen oder finden selber keine Lösungen mehr. Es gibt auch Paare, die sich eine Trennungsbegleitung wünschen, damit dieser neue Weg für alle Beteiligten gut gestaltet wird. Andere kommen, weil sie in der Familie unterschiedliche Wertvorstellungen oder Erziehungsstile haben.
Was raten Sie Singles mit einem Wunsch nach Partnerschaft?
Zu uns kommen nur wenige Menschen mit diesem Thema. Wir schauen, ob diese Personen Beziehungserfahrungen gemacht haben, die ein Hemmnis sind, es wieder zu wagen, ob sie offen auf andere zugehen können oder sich zurückziehen.
Wie finden die Leute zu Ihnen?
In erster Linie durch Mund zu Mund-Propaganda. Vereinzelt kommen sie übers Internet.
Welche Rolle spielt Religion für diese Menschen?
Das ist praktisch kein Thema. Kaum jemand sucht unsere Stelle auf, weil wir eine kirchliche Stelle sind. Wir haben bedeutend mehr reformierte als katholische Klient:nnen und einen hohen Anteil Konfessionsloser.
Welches Gespräch hat Sie in einem positiven Sinn emotional besonders berührt?
Das sind vor allem Paare mit Kindern, die über lange Zeit für ihre Beziehung gekämpft und gelitten haben. Wenn sich beide so bewegen können, dass die Beziehung eine neue Qualität bekommt, berührt mich das immer enorm.
Welche Gespräche haben Ihnen schlaflose Nächte bereitet?
Auch hier sind es Paare mit Kindern, die sehr schwierig unterwegs waren. Wenn die Frage der Trennung so stark im Raum stand und gleichzeitig spürbar war, wie die Partner mit ihrer Lebenssituation gerungen haben. Oder wenn jemand eine Affäre gehabt hat und das Paar sich gewunden und an sich gearbeitet hat, um herauszufinden, ob sie gemeinsam oder getrennt weitergehen sollen.
Was hat sich in den 12 Jahren Ihrer Tätigkeit bei der Fachstelle verändert?
Männer engagieren sich heute viel mehr in der Beziehung als früher. Früher meldeten sich fast ausschliesslich Frauen für eine Beratung an, heute ist das ausgewogener. Weiter erlebe ich, dass Familien heute stärker belastet sind als früher: In der Regel arbeiten beide, Kinderbetreuung und Hausarbeit müssen sichergestellt werden. Die einzelnen Partner haben wenig Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Viele Familie, vor allem solche mit Migrationshintergrund, haben keine Herkunftsfamilie vor Ort, die etwas übernehmen kann.
Sie beraten auch Menschen, die sich scheiden lassen wollen oder die in homosexueller Partnerschaft leben. Beides widerspricht der katholischen Sexualmoral. Ist diese für Sie relevant?
Tatsächlich bedeutet die katholische Kirche als Trägerschaft für gewisse Menschen eine hohe Schwelle, weil sie nicht wissen, was sie erwartet. Im Erstgespräch thematisieren wir daher immer, dass wir ausschliesslich unserem professionellen Verständnis von Beratung und Therapie verpflichtet sind. Wenn sich Paare bereits auf eine Trennung zu bewegen, haben sie manchmal das ungute Gefühl, dass wir sie davon überzeugen wollen, zusammenzubleiben. Das ist keineswegs unser Auftrag und entspricht auch nicht einem professionellen Verständnis.
Homosexuelle Paare kommen meistens durch Empfehlung anderer Paare, daher ist der kirchliche Hintergrund für sie kein Thema.
Die Website hat zwar das pinke Logo von kathbern, der Begriff «katholisch» taucht aber nirgends auf. Wird der Bezug zur Kirche bewusst vermieden?
Wir haben tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass die Leute zurückhaltender sind, wenn sie merken, dass wir ein Angebot der katholischen Kirche sind. Die Beratungsstellen der reformierten Kirche und des Kantons hatten deutlich mehr Anfragen als wir. Darum haben wir die Website neu ohne prominenten Bezug zur Kirche gestaltet, und das hat sofort gewirkt. Das ist schade, denn das Angebot ist toll. Ich bin stolz, dass die katholische Kirche eine solch professionelle Beratungsstelle zu so günstigen Konditionen anbietet.
Was haben Sie selber für einen Bezug zur katholischen Kirche?
Gewisse Haltungen der katholischen Kirche weltweit finde ich ganz schwierig, etwa die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen oder der Umgang mit der Aufarbeitung der zahlreichen Fälle von sexuellem Missbrauch. Das erschwert unsere Arbeit extrem. Ich bin vor Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten und später wieder eingetreten, weil ich gemerkt habe, dass ich nun einmal diese Prägung habe. Vor allem habe ich aber ganz tolle katholische Theolog:innen kennengelernt, die es mir leicht gemacht haben, wieder zurückzufinden. In diesen 12 Jahren hatte ich wunderbare Begegnungen in der katholischen Kirche.
* Maya Abt (64) war 30 Jahre als Psychotherapeutin tätig. Ende Februar geht sie in Pension. Sie ist verheiratet, hat zwei Stieftöchter und drei Enkelkinder. Sie wohnt in der Nähe von Bern.
«Beratung in jeder Beziehung» ist eine Fachstelle der Katholischen Kirche Region Bern. Sie wird vom Kanton mitfinanziert. Dieser ist laut Gesetz verpflichtet, Beratungsstellen für alle Paare bereitzustellen oder zu subventionieren. Die Fachstelle arbeitet unabhängig und professionell, sie steht allen Menschen offen – unabhängig von Beziehungsform, sexueller Orientierung, Konfession und Alter.