Hubert Wolf. Neuer Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Univdersität Bern. Foto: Andreas Kühlken/KNA
«Man hat eine neue gemacht»
Kirchenhistoriker Hubert Wolf erhielt von der Uni Bern Ehrendoktorwürde
Die Theologische Fakultät der Universität verlieh dem Kirchenhistoriker und Autor Prof. Dr. Hubert Wolf (Universität Münster) am 7. Dezember die Ehrendoktorwürde. Vor der Zeremonie im Rahmen des Dies Academicus, des Stiftungsfestes der Univesität, fesselte Hubert Wolf die Kenner*innen seiner Bücher mit einem Referat zum Thema die «Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert und die Brisanz von Kirchengeschichte».
Von Guido Lauper
Es mutete an wie die Teilnahme an einer Geheimloge. Am Nikolaustag abends, eine halbe Stunde vor Beginn des Gastreferates von Hubert Wolf, zeigten die Orientierungstafeln im Hauptgebäude der Uni Bern gähnende Leere. Dann aber lauschten doch etwa 40 Personen im Seitenflügel des zweiten Stockes, was der Kirchenhistoriker Hubert Wolf an Fakten aus seiner jahrzehntelangen wissenschaftlichen Arbeit für den Vortrag «Man hat eine neue gemacht» zusammengestellt hatte.
Unter den Teilnehmenden am Gewand erkennbar der christkatholische Bischof Harald Rein und im winterlichen Strassenanzug Bischof Felix Gmür.
Das Bild des Heimlichen könnte aus der derzeitigen Situation der katholischen Kirche selbst entstehen. So wie die Kirchenhierarchie nach dem Vortrag zu den dargelegten Tatsachen schwieg – ein Podiumsgespräch hätte wohl einiges geklärt – so wenig bis nie, werden Erkenntnisse des Kirchenhistorikers, den der Vatikan in seinen Geheimarchiven forschen liess, seitens der offiziellen Kirche bestätigt oder gar kommentiert.
Vergessenes ins Licht gestellt
Umso bedeutender wird der aufklärerische Akt der theologischen Fakultät der Universität Bern mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Hubert Wolf. In der Laudatio heisst es, Wolf habe Vergessenes aus der «Krypta» der Kirchengeschichte ins Licht gestellt, zur Neubewertung verdrängter Traditionen angeregt und durch die grundlegende Aufarbeitung von Inquisitionsakten zur Rehabilitation von Opfern kirchlicher Zensur beigetragen. Mit seinen kirchengeschichtlichen Forschungen leiste er auf diese Weise «einen bedeutsamen öffentlichen Beitrag zum derzeitigen Diskurs über die ‹ecclesia semper reformanda›, die stets zu reformierende Kirche».
Wolf selbst, der seinerseits den Dialog mit der Öffentlichkeit sucht, freute sich am Respekt gegenüber seiner Arbeit an den Quellen der Kirchengeschichte. Er verstehe seine Tätigkeit nicht zuletzt als Aufklärungsarbeit, die das Selbstverständnis der heutigen katholischen Kirche kritisch hinterfrage.
Am Gastvortrag beleuchtete Hubert Wolf den weitverbreiteten Begriff «invention of tradition» (Erfindung von Tradition). Dabei werden alte Traditionen durch neue Interpretationen ersetzt und für wahr oder im Dogma gar für verbindlich erklärt.
Unfehlbar – fehlbar?
Hubert Wolf hielt klar fest: Die nach dem Ersten Vatikanischen Konzil von 1870 neukonstruierte Kirche gehe in der heutigen Situation nicht auf Christus zurück, sondern auf seine oft erwähnte «invention of tradition». Am Konzil hatte die offizielle Kirche die Unfehlbarkeit des Papstes proklamiert.
Auf seine Forschungsarbeit zurückschauend, zitierte Hubert Wolf den Kirchengeschichtler und Bischof von Rottenburg, Karl Joseph Hefele (1809 – 1893). Weil dieser zusammen mit einer Minderheit der Bischöfe das Dogma nicht verhindern konnte, hatte er das Konzil vorzeitig verlassen und später gegen seine Überzeugung zugestimmt. Wolf verwies auf sein Buch «Krypta» wo er Karl Joseph Hefele zitiert: «Was historisch nachweislich falsch ist, nämlich die ununterbrochene Unfehlbarkeit der Päpste, kann auch theologisch nicht wahr sein. Was dem geschichtlichen Befund eindeutig widerspricht, kann nicht zu einer dogmatischen Wahrheit erhoben werden.»
Schliesslich, so Wolf weiter, habe Hefele resigniert und ein Jahr später geschrieben: «…wollte ich lieber meinen Intellectus opfern und mich unterwerfen – mit blutendem Herzen – als ein Schisma fördern.»
Unfehlbar – gewalttätig?
Die Frage aus dem Kreis der Zuhörer*innen, ob das Recht vor Wahrheit auch in Politik und Wirtschaft zutreffe, beantwortete Hubert Wolf voll zustimmend. Als Zuhörer fiel mir dabei ein Satz von Ruedi Heinzer, pensionierter reformierter Pfarrer und ehemaliger Synodalrat ein, der in seinem Buch «Sonntagsjass, 36 theologische Einfälle zum Kartenspiel» festgehalten hatte: «Keinem ist zu trauen, der Regeln verkündet und behauptet, sie von Gott zu haben.»
Heinzer verweist damit zuerst auf das Dritte Reich, sieht die Gefahr aber überall. Und Kurt Marti, ehemaliger Münsterpfarrer und Schriftsteller sagte zum Thema kurz und bündig: «Pochen auf eine reine Lehre, ist im Kern gewalttätig.»
Linktipp
Weiterführende Literatur von Hubert Wolf (unvollständig)
- «Zölibat», 16 Thesen, 2019
- «Verdammtes Licht», Der Katholizismus und die Aufklärung, 2019
- «Konklave», Die Geheimnisse der Papstwahl, 2017
- «Krypta», Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte, 2015
- «Die Nonnen von Sant' Ambrogio», Eine wahre Geschichte, 2013
- «Papst und Teufel», Die Archive des Vatikans und das Dritte Reich, 2008
- «Index», Der Vatikan und die verbotenen Bücher, 2006