Werden im Frühling Eltern: Katja und Adrian Bolzern. Foto: Pia Neuenschwander
Manege frei für die Liebe
Der Zirkuspfarrer hat sich verliebt und geheiratet
Vor sechs Jahren lernten sich der Circuspfarrer Adrian Bolzern, 43, und die Kirchenmusikerin Katja Deutschmann, 31, bei der Arbeit kennen. Im letzten halben Jahr haben sich bei den beiden mehrere Neuanfänge angebahnt. Im Herbst haben sie geheiratet, und im Frühling werden sie Eltern.
Interview: Anouk Hiedl
«pfarrblatt»: 2019 wurde aus Ihrer Arbeitsbekanntschaft Liebe. Gab es Schlüsselmomente?
Adrian Bolzern: Wir waren uns schon von Beginn an sehr sympathisch. Doch es gab da so ein Ereignis in unseren Ferien, das bei mir eine positive Erschütterung auslöste und mich zuerst völlig aus der Bahn warf. Aber daraus wurde die grösste Freude meines Lebens, und so sind wir nun gemeinsam unterwegs – Halleluja!
Katja Bolzern: Unsere tiefe Verbundenheit basiert auf einer fundierten Freundschaft. Sie wuchs in Gesprächen, Telefonaten, Unternehmungen und gemeinsamen beruflichen Projekten. Im Verlauf der Zeit wurde uns immer klarer, dass wir zusammengehören.
Sich in einen Priester zu verlieben, ist nicht selbstverständlich. Haben Sie sich überlegt, sich nicht auf Adrian einzulassen?
Katja Bolzern: Mein Prozess begann damit, mich mit meiner Lebenssituation abzufinden: Ich war mir bewusst, dass Adrian mein Traummann und Seelenverwandter ist und ich nie mehr mit einem anderen Mann eine Beziehung eingehen könnte. Da Adrian an die Kirche vergeben war, habe ich akzeptiert, dass ich mein Leben als Single verbringen würde. Es ist wunderbar, dass für mein Leben nun ein gemeinsamer Weg mit Adrian vorgesehen ist. Ich bin sehr dankbar!
Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre gemeinsame Zukunft reagiert?
Adrian Bolzern: Meine Mutter sagte, sie habe das schon immer gedacht. Die vielen positiven und aufbauenden Reaktionen haben uns viel Kraft gegeben. Es gab nur ganz wenige negative Rückmeldungen, alle von Menschen, die ich nicht kenne.
Katja Bolzern: So viele Menschen denken an uns und schreiben uns. Wir erhalten noch immer täglich Wohlwollen, Unterstützung, Zuwendung, Verständnis und Support. Wir fühlen uns sehr getragen, von unseren Familien, Freunden, engen Bekannten und von früheren Kontakten, die wir jetzt wieder pflegen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Liebe so ansteckend ist!
Und Bischof Felix Gmür?
Adrian Bolzern: Beim ersten Gespräch im Sommer 2021 war ich sehr nervös und dann äusserst positiv überrascht, wie ruhig und gelassen er meine Nachricht aufnahm. Er hat wie ein guter Hirte reagiert. Natürlich war er nicht begeistert, aber er hat mich ernst genommen und gesagt, dass wir «jetzt zusammen schauen müssen, wie wir weitergehen». Der Bischof und vor allem auch Generalvikar Markus Thürig bemühen sich sehr, gemeinsam eine Lösung zu finden. Wir bleiben im Gespräch.
Hätte Bischof Felix, in Anbetracht des steigenden Priestermangels, einen Versuch machen und Sie als ersten verheirateten katholischen Priester behalten können?
Adrian Bolzern: Ganz am Anfang hat Bischof Felix genau das angesprochen. Auch ich wäre bereit gewesen, diesen Versuch zu wagen. Nach kurzem Überlegen hat sich der Bischof dann doch für den üblichen Weg entschieden. Wir wissen nicht, wie die Kirchenleitung reagieren würde. Ich bin hingegen ganz sicher, dass ein grosser Teil der aktiven Menschen in unserer Kirche bereit für einen solchen Versuch wäre. Mal schauen, was die laufende weltweite Bischofssynode zum synodalen Weg in unserer Kirche bewegt.
Bischof Felix hat sich überlegt, mich als verheirateten Priester zu behalten.
Was sind Ihre beruflichen Wünsche und Optionen?
Adrian Bolzern: Nach meinem Entschluss, das Priesteramt niederzulegen, hatte ich Existenzängste. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr stellte ich fest, wie viele Optionen ich habe. Gerne bleibe ich der röm.-kath. Kirche als Seelsorger erhalten. Diakon zu werden ist aus kirchenrechtlicher Sicht für mich leider nicht möglich. Ich kann mir auch vorstellen, mich als selbstständiger freier Ritualbegleiter oder als Religionspädagoge zu arbeiten, da ich diese Ausbildung habe. Zudem wurde mir ein Posten in der Personalbegleitung eines grösseren Unternehmens angeboten. Es gibt also einige Wege, um weiterzugehen.
Sie hoffen, dass Ihr Dispensierungsverfahren* bis März abgeschlossen sein wird. Was, wenn es länger dauert?
Adrian Bolzern: Bis dahin habe ich eine kleine Familie und will ein Einkommen zum Leben haben. Seit September 2022 verdiene ich fast nichts mehr, das kann kein Dauerzustand sein. Dann muss ich mit Bischof Felix eine Lösung finden. Konvertieren ist im Moment kein Thema. Doch wenn ich zu lange auf meine Missio, die Beauftragung vom Bischof, warten muss, ziehe ich es in Betracht. Ich bin im Herzen und mit meinen Wurzeln römisch-katholisch. Doch ohne Auskommen muss ich die Lage neu prüfen. In der Christkatholischen Kirche könnte ich als Priester weiterarbeiten.
Frau Bolzern, was bringt Adrians Neuanfang für Sie mit sich?
Katja Bolzern: Etwas Ungewisses, Überraschendes. Ich bin gespannt, was das Leben für uns bereithält. Für uns ist es eher neu, so vieles noch nicht zu wissen und auch nicht gross beeinflussen zu können. Doch ich habe grosses Vertrauen und bin überzeugt, «es chunnt scho guet»! Ich bin gespannt, welche Schritte in Richtung Öffnung die römisch-katholische Kirche in naher Zukunft gehen wird. Vermutlich sind die meisten Gläubigen zu verheirateten Priestern, Frauenpriestertum, freiwilligem Zölibat usw. viel liberaler eingestellt, als es die Kirche heute zulässt. Es wird sich zeigen, wie sie mit diesem Spagat umgehen wird.
Worauf freuen Sie sich nun?
Katja Bolzern: Auf unser erstes Kind und unsere gemeinsame Zeit als Familie. Ich verbringe viel Zeit mit den Vorbereitungen, sei es mental, beim Zimmer einrichten oder Kleidli kaufen. Beruflich arbeite ich mit Kindern im Musikkindergarten und als Klavierlehrerin, das sind total schöne Aufgaben. Ich bin sicher, dass auch Adrian beruflich am richtigen Ort landen wird – wo, wird sich zeigen.
Adrian Bolzern: Als erstes freue ich mich auf die Geburt unseres Kindes im März! Dann auf unsere ersten gemeinsamen Ferien als Familie im Sommer. Und natürlich auf unsere kirchliche Hochzeit im Herbst – es wird ein richtiges Jahr der Freude!
Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Katja Bolzern: Glücklich, dankbar und friedlich als grosse Familie mit Berufen, die uns erfüllen.
Adrian Bolzern: Ich sehe mich als Seelsorger der Circusleute, Schausteller und Markthändler und mit einer weiteren Aufgabe, die ich gut und gerne mache. Bis dahin haben Katja und ich vier Kinder und ein Eigenheim irgendwo in der Schweiz. Los geht’s!
Radiotipp: Adrian und Katja Bolzern sind am Montag, 2. Januar, von 13.00 bis 13.25 in «Gast am Mittag» auf SRF 1 zu hören.
* Vom Papst dispensierte Priester verlieren automatisch die dem klerikalen Stand eigenen Rechte und Pflichten. Mit der Erlaubnis ihres Bischofs können sie weiterhin verschiedene kirchlichen Ämter, Funktionen und Dienste ausüben, die keine Weihe erfordern. Im Bistum Basel dürfen dispensierte Priester, wie Pfarreiseelsorgende, manche Sakramente spenden (ausgenommen sind Eucharistie, Beichte und Krankensalbung) sowie pastorale Handlungen wie Andachten, Wortgottesfeiern mit Predigt, Kommunionbesuche, Segnungen oder Beerdigungen ausführen.
Laut DDr. Wieslaw Reglinski, dem Offizial des Bistums Basel, wurden in den letzten 100 Jahren im Bistum Basel 1321 Priester geweiht. 90 davon haben ihr Priesteramt später aufgegeben, die meisten (deren 28) in den 1970ern, in den letzten zehn Jahren acht Personen. Das Bistum bezeichnet diese Priester laut Reglinski bewusst nicht als «laisiert», sondern als «aus dem Klerus ausgetreten», da wahrscheinlich nicht alle ein formelles, heute etwa einjähriges Verfahren durchlaufen hätten. Zudem könne man einen gültig geweihten Diakon, Priester oder Bischof nicht «laisieren», wie man auch eine kirchlich gültig geschlossene Ehe nicht «annullieren» könne.
Adrian Bolzern, 43, arbeitete fünf Jahre als Landschaftsgärtner. Danach wurde er Katechet und Jugendarbeiter und studierte auf dem dritten Bildungsweg Theologie. 2011 wurde er zum Diakon und 2012 zum Priester geweiht. Nach zwei Jahren als Vikar arbeitete er von 2014 bis 2022 als Priester in Aarau. In diesen acht Jahren war er als Circuspfarrer auch für die Seelsorge von Markthändlern und Schaustellenden zuständig und bekannt.
Katja Bolzern-Deutschmann, 31, ist als Kirchenmusikerin, Chorleiterin und Musiklehrerin tätig. Sie hat Orgel, Chorleitung und Schulmusik an der Hochschule Luzern studiert. Von 2020 bis 2022 hatte sie die Leitung des Kirchenklangfests «Cantars» in Aarau inne.