Arturo Martini: Die Geburt Mariens (!), Terracotta, 1925, Gallerie dell'Accademia Venedig. Foto: kr

Maria, ein Thema das reizt?

03.02.2016

Das Jahr 2016 ist noch jung. Mit dem ersten Jahrestag feiert und ehrt die Kirche in der Liturgie Maria als Gottesmutter und Mutter der Kirche. In der Fürbitte Mariens und im Segen Gottes sind wir getragen. Gott mit uns im neuen Jahr.

Wenn katholische und reformierte Katechetinnen in der Weiterbildung sich zum Thema «Maria» treffen oder konfessionsverschiedene Partnerinnen und Partner zuhause über Maria nachdenken, entstehen viele Fragen: Welche Gedanken und Gefühle habe ich selber in Bezug auf Maria? Wie können wir bei Kindern der Grundschule über Maria sprechen? Und überhaupt – wie war das mit der Mutter Jesu? Maria, Schwester im Glauben und Himmelskönigin – geht das? Maria, empfangen durch den Heiligen Geist? Ein Thema, das reizt?

Im Vergleich zu ihrer späteren Bedeutung sind die Aussagen über Maria in der Bibel spärlich. Der Name «Maria» steht ausser in den Kindheitserzählungen Jesu nur noch bei der Erklärung der Herkunftsfrage bei den Evangelisten Markus und Matthäus und in der Apostelgeschichte, Apg 1.14. Die übrigen Stellen sprechen von seiner Mutter, so durchgängig im Johannesevangelium. Dass Maria vor der Geburt Jesu jungfräulich ist, die Empfängnis also ohne Beteiligung eines Mannes stattgefunden hat, kann durchaus in den Evangelien so verstanden werden. Es geht hier wohl um eine Glaubensaussage mit einer tiefen und symbolischen Wahrheit. Vielleicht so: Wenn Gott in die Welt kommt, kann der Ausgangspunkt nicht der männliche Eros sein.

Eines wird bei der Lektüre der biblischen Zeugnisse deutlich: Es gibt kein einheitliches Marienbild. Mal erscheint sie von prophetischer Kraft, so als Sprecherin des Magnifikats bei Lukas, mal unwissend und vielleicht sogar voller Vorwürfe gegenüber dem Sohn wie bei Matthäus. Und immer erscheint sie ganz menschlich. Maria ist «eine von uns». Folgende Szenen bieten sich denn auch zur Erarbeitung mit Kindern und Jugendlichen im kirchlichen Religionsunterricht an: Die Verkündigung, die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth, die Geburt Jesu, Jesus im Tempel, die Hochzeit zu Kana und die Kreuzigung mit Maria unter dem Kreuz. Grundsätzlich alles Begegnungs- oder Interaktionsgeschichten, die immer auch in unser eigenes Leben oder in das Leben der Schülerinnen und Schüler scheinen. Sich gemeinsam über eine gute Nachricht freuen, im Kleinen Grosses entdecken, im eigenen Alltag sich verwandeln lassen, neu aufblühen können: Wer ist nicht froh darüber, wenn sich solches – oft unerwartet – ereignet?

2017 jährt sich zum 500. Mal der konfessionelle Weg der reformierten Kirche. Ein historischer Blick zeigt dabei erstaunlicherweise, dass der Reformator Martin Luther selbst ein Verehrer Marias war – und nicht nur aus den biblischen Quellen geschöpft hat. Die Legende erzählt, dass Luther bei einem Gewittererlebnis 1505 die Heilige Anna, die Mutter Marias, anrief. Ihr gelobte er, falls sie ihm das Leben trotz Unwetter erhalte, in den marienfrommen Augustinerorden einzutreten.

Luther hat Maria als Person nie kritisiert. Stein des Anstosses war für Luther die oft übertriebene Marienverehrung, die über Wallfahrtseinnahmen und Ablasshandel leere Kirchenkassen füllte. Nach Luther sind alle Menschen der Sünde verfallen und können ausschliesslich durch die Gnade Gottes erlöst werden. Gott in seiner Gnade ist völlig frei. Kein Opfer, keine guten Taten, auch keine Fürsprache können diese Gnade erkaufen. Deshalb kennt die reformierte Kirche keine Heiligenverehrung. Das verbindende Zeugnis der beiden Kirchen trifft sich in den Aussagen: Maria ist die Gottesgebärerin und als Frau Vorbild für den Glauben der Kirche.

Der Dichter Novalis schrieb in einem seiner Gedichte über Maria: «Ich sehe dich in tausend Bildern.» Bestimmt kann Maria als besondere Frau in tausend Bildern wahrgenommen werden, jedoch kann keines das ausdrücken, was man selbst – ganz individuell und persönlich – über Maria empfindet.

Beat Zosso
Quelle: Katechetische Blätter 140, Heft 6, 2015; Beitrag von Franziska Birke-Bugiel/Michaela Maas/Caroline Teschmer

Ich sehe dich in tausend Bildern, / Maria, lieblich ausgedrückt, / dich keins von allen kann dich schildern, / wie meine Seele dich erblickt. / Ich weiss nur, dass der Welt Getümmel /seit dem mir wie ein Traum verweht / und ein unnennbar süsser Himmel / mir ewig im Gemüte steht.
Novalis