Der Kantatenzyklus «Membra Jesu nostri» für Soli, Chor, 2 Violinen, 5 Viole da gamba, Violone und Basso continuo von Dietrich Buxtehude (1637–1707).
Membra Jesu nostri
Ein Kantatenzyklus von Dietrich Buxtehude mit siebenteiligem Aufbau.. Der aktuelle Beitrag zur Jahresserie über die Zahl 7 von Synes Ernst.
Der Kantatenzyklus «Membra Jesu nostri» von Dietrich Buxtehude trägt zwar die Zahl Sieben im Original nicht im Titel. Aber der streng siebenteilige Aufbau des Musikstücks hängt letztlich doch damit zusammen, dass die Sieben die vollkommene oder göttliche Zahl ist.
Osternacht. Nach und nach füllt sich der dunkle Raum des Berner Münsters. Auf die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher wartet eine eindrückliche Feier, in deren Mittelpunkt ein musikalisches Werk steht, das neben den zahlreichen Vertonungen der Leidensgeschichte, neben den verschiedenen Versionen des «Stabat Mater» und der «Sieben Worte Jesu am Kreuz» eher ein Schattendasein fristet – der siebenteilige Kantatenzyklus «Membra Jesu nostri» für Soli, Chor, 2 Violinen, 5 Viole da gamba, Violone und Basso continuo von Dietrich Buxtehude (1637–1707).
Im Unterschied zu den «Sieben Worten», in denen es um die letzte Botschaft Christi geht, ändert sich in den «Membra Jesu nostri» der Blickwinkel: Die Musik führt den Zuhörer/Betrachter von unten nach oben, von den Füssen über die Knie, die Hände, die Seite, die Brust und das Herz bis zum Gesicht des Gekreuzigten. Die sieben Kantaten sind im Aufbau identisch: Sie beginnen mit einer instrumentalen Einleitung (Sonata), dann folgt das Chorstück mit einem Bibelwort, das sich auf den jeweiligen Körperteil bezieht (Concerto). Diesem schliessen sich drei musikalisch ähnliche oder gar identische Arien an, bevor die Wiederholung des Concertos den Abschluss der Kantate bildet.
Klare Struktur, formale Geschlossenheit und Aufbau mit Wiederholungen – das sind sehr oft Merkmale musikalischer Werke, welche die Zuhörenden bei Meditation und Andacht unterstützen sollen. Genau das beabsichtigte Buxtehude mit seinen 1680 komponierten «Membra». Nach den Worten von Bettina Winkler, SWR-Expertin für Alte Musik, handelt es bereits beim mittelalterlichen Text, der Arnulf von Löwen zugeschrieben wird, um eine Art von «rhythmischem Gebet», das eine «liebevolle Beziehung zum Gekreuzigten» schaffen wolle. Mit der «planvollen Anlage des Gesangs» habe Buxtehude diese Wirkung noch verstärkt. Die Menschen hörten nicht einfach passiv zu, sondern erlebten über die Musik die Schmerzen und das Leiden Jesu am Kreuz sinnlich mit. Die mystische Vereinigung und das Mitleiden sollte sie in ihrem Glauben stärken und ihnen die Gewissheit vermitteln, dass sie durch den Tod Jesu erlöst worden sind. Besonders intensiv kommt dieser Aspekt in der abschliessenden siebten Kantate, der Betrachtung des Gesichtes (ad faciem), zum Ausdruck.
Aus welchem Anlass hat Buxtehude die «Membra Jesu nostri», die als Musterbeispiel hochbarocker Concerto-Aria-Kantaten gilt, komponiert? Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Wie Bettina Winkler unlängst in einer SWR-Sendung sagte, könnte es sich um ein Auftragswerk aus Stockholm handeln. Denn das schwedische Publikum sei in der damaligen Zeit für musikalische Experimente offener gewesen als das Stammpublikum in der Kirche St. Marien in Lübeck, wo Buxtehude seit 1668 als Organist tätig war.
Synes Ernst
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