Eine Menschheitsfamilie, überall auf der Erde, über alle Generationen. Foto: David-W- / photocase.de
Menschenwürdig leben
Hintergründe zum Flüchtlingssonntag
Die Zahl der Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, war noch nie so hoch wie heute. 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Davon haben bloss gut 22 Millionen den Status als «Flüchtling», was einigen Schutz verspricht. Der Flüchtlingssonntag vom 17. Juni erinnert an dieses humanitäre Drama.
Flüchtlinge benötigen Schutz vor Gewalt und Verfolgung. Zweifellos setzen sich Kirchen und Hilfswerke dafür ein, dass sich diese Menschen unter würdigen Umständen in der Schweiz aufhalten können und ihnen die notwendige Unterstützung entgegengebracht wird. Rund 64 000 Menschen befinden sich in der Schweiz im «Asylprozess», davon gelten 43 200 als vorläufig aufgenommen. Im Kanton Bern befinden sich 9800 Personen in diesem «Asylprozess». Zum Vergleich: Die ständige ausländische Wohnbevölkerung in der Schweiz beträgt über zwei Millionen.
In der Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 heisst es, dass jene Menschen als Flüchtlinge gelten, die sich unter anderem «aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung» ausserhalb ihres Heimatlandes befinden würden und aus eben diesen Gründen den Schutz dieses Heimatlandes nicht beanspruchen könnten oder wollten.
Punkto Flüchtlingszahlen bleibt Syrien weltweit das grösste Herkunftsland (5,5 Millionen). Dahinter folgen Afghanistan, Südsudan, Somalia, Sudan und die Demokratische Republik Kongo. Auch aus dem Jemen, Irak, der Zentralafrikanischen Republik oder Burundi flüchten sehr viele Menschen. Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) spricht in diesem Zusammenhang von tausendfachem Flüchtlingselend, vorherrschende Fluchtgründe seien Krieg, Hunger und wirtschaftliche Not. Die meisten Asylgesuche in der Schweiz stammen aktuell von Menschen aus Eritrea, Syrien und Afghanistan.
Flüchtlinge finden in grosser Zahl Aufnahme in armen Ländern. Das UNHCR schreibt, dass «einer von drei Flüchtlingen von den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt aufgenommen wurde». Das liege zum einen an der geografischen Nähe vieler armer Staaten zu Konfliktregionen. «Zum anderen fehlt es international an einem Konsens, wenn es um das Thema Aufnahme von Flüchtlingen geht.»
In der Türkei leben aktuell 2,9 Millionen Flüchtlinge, in Pakistan sind es 1,4 Millionen und im Libanon 1 Million. Im Verhältnis zur Wohnbevölkerung leben die meisten Flüchtlinge im Libanon, jede fünfte Person im Zedernstaat ist ein Flüchtling. Ein weiterer unerfreulicher Fakt: 50 Prozent der Flüchtlinge sind Kinder.
Die Entscheidung Gottes, so heisst es im Kompendium der Soziallehre der katholischen Kirche, die Entscheidung Gottes also, den Menschen nach seinem Bild und ihm ähnlich zu erschaffen, verleihe dem menschlichen Geschöpf eine einzigartige Würde, die sich über alle Generationen auf der ganzen Erde erstrecke. Menschen sind nach christlicher Auffassung nicht nur Bürger eines Landes, sondern immer auch Mitglieder der Menschheitsfamilie. Heute setzt sich die Kirche an vielen Orten für Migrant*innen ein, man beruft sich dabei auf die Option für die Armen und die Identifikation mit den Ausgegrenzten, den Schutzlosen und Vergessenen nach dem Vorbild Jesu.
Im Kompendium der Soziallehre heisst es weiter, die Kirche sei den Flüchtlingen nicht nur seelsorgerlich und mit materieller Hilfe nahe, «sondern auch in dem Bemühen, ihre Menschenwürde zu verteidigen». Die internationale Gemeinschaft habe als Ganzes die moralische Verpflichtung, zugunsten jener Gruppen einzugreifen, deren Überleben gefährdet sei oder deren Grundrechte in massiver Weise verletzt würden.
Damit sich anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz aus eigener Kraft eine Existenz aufbauen können, sei die berufliche Integration zentral, heisst es in einer Mitteilung der Caritas Schweiz. Das gelinge heute noch in viel zu geringem Masse. Der grösste Teil der Flüchtlinge bleibe auf Sozialhilfe angewiesen. Die Gründe macht Caritas in der Bildung aus. Flüchtlinge müssten eine Grundbildung machen können, denn eine gründliche «Schulbildung ist der Schlüssel zur Berufsintegration». Dafür mache sich die Caritas stark und dafür werde am Flüchtlingstag Geld gesammelt.
Andreas Krummenacher
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