Franz X. Stadelmann erinnert die Parlamentarier:innen an ihre christlichen Werte. Foto: Sylvia Stam
Mit dem Churer Bischof gegen Kürzung der Entwicklungshilfe
Bischof Bonnemain hat sich mit deutlichen Worten gegen die drohende Kürzung der Schweizer Entwicklungshilfe ausgesprochen. Die Parlamentarier:innen sind gefordert, diese Kürzung zu verhindern, schreibt Franz X. Stadelmann in seinem Gastkommentar.
Franz X. Stadelmann*
Der Bischof von Chur, Joseph Maria Bonnemain, bezeichnet eine allfällige Kürzung der Entwicklungshilfe-Gelder als «Kahlschlag bei der Menschlichkeit». Seine Worte lassen aufhorchen. Was steckt dahinter?
Der Bundesrat will sparen. Er schlägt unter anderem vor, bei der Entwicklungszusammenarbeit ab 2025 jährlich 250 Millionen weniger auszugeben. Die Finanzkommission des Nationalrats unterstützt diesen Vorschlag, jene des Ständerats will lediglich um 30 Millionen kürzen. Laut neuster Umfrage von Sotomo möchten auch 41 % der Bevölkerung bei der Entwicklungshilfe sparen.
Für eine solidarische Schweiz
Sind diese aufrüttelnden bemerkenswerten Worte des Bischofs berechtigt? Aus christlich-ethischer Sicht: ja. Aber: Entwicklungshilfe ist nicht nur ein Akt der Menschlichkeit. Es gibt auch rechtliche und sachliche Gründe im eigenen Interesse der Schweiz, hier nicht zu sparen.
Die Schweiz handelt solidarisch – und folgt der Präambel der Bundesverfassung – wenn sie zum Wohl der Menschen im hauptbetroffenen globalen Süden einen Beitrag leistet. Es ist ein Bekenntnis zur Menschenwürde und den Menschenrechten, wenn die Schweiz nicht ruht, bis nicht mehr wie heute 735 Millionen Menschen hungern, jährlich 200 Tausend Menschen, vor allem Kinder verhungern, rund 700 Millionen arm sind.
Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Pro Person und Jahr werden hier über 300 Kilogramm Nahrungsmittel ungegessen vernichtet. Anstatt zu senken, täten wir gut daran, unseren Anteil von nur 0,43 % des Bruttonationaleinkommens auf das vereinbarte Ziel von 0,7 % für die Entwicklungshilfe zu erhöhen. Auch würden wir damit die Tradition der humanitären Dienste (z.B. IKRK) und zur Förderung des Friedens weiterführen und gewännen Ansehen zurück.
Hilfe zur Selbsthilfe
Die Schweiz leistet mit der Entwicklungshilfe Selbsthilfe vor Ort. Durch die Unterstützung unter anderem in Bildung, Gesundheit und agrarökologischen Anbaumethoden, die es den Menschen erlaubt, sich mit selbst erzeugten Nahrungsmitteln zu ernähren. Dies verhindert Hunger, Abhängigkeit, Konflikte, Krieg und ja, auch Flucht. Es ist ein Beitrag zum Frieden. Und die Schweiz profitiert davon, wenn weniger Flüchtlinge an unsere Tür klopfen.
Der Klimawandel trägt und verschärft all diese Probleme. Die Schweiz trägt, bezogen auf die Einwohnerzahl weltweit, überdurchschnittlich zur Klimaerwärmung bei.
Heute schon sichtbare Folgen sind zunehmende Dürre, Wassermangel einerseits, und Überschwemmungen und Anstieg des Meeresspeiegels andererseits. Beides führt zu Hunger, Verlust der heimatlichen Lebensgrundlagen und Flucht.
Die Eidgenössischen Parlamentarier:innen haben viele Gründe, die Kürzung bei der Entwicklungshilfe abzuwenden, auch im Eigeninteresse. Ganz besonders jene, die sich Christinnen oder Christen nennen. Lautet doch eine Kernbotschaft von Jesus Christus: «Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst».
*Franz X. Stadelmann lebt in Köniz. Er ist der ehemalige Leiter des «Institut für Umweltschutz und Landwirtschaft». Lange Jahre war er Mitglied des Grossen Kirchenrates und Pionier des ökologischen Handelns der katholischen Kirche Region Bern.