«Man möchte den Firmanden die Möglichkeit der Reflexion und des Verstehens bieten und sie unterstützen, eine lebendige Beziehung zu Gott aufzubauen.» Judith Furrer Villa. Foto: Pia Neuenschwander
Mit dem Sakrament feiern, was immer schon da ist
Reflektieren, verstehen und ein bewusste Ja
Viele Jugendliche bringen kaum noch Erfahrungen mit Religion und Kirche mit. Katechet:innen haben eine herausfordernde Aufgabe, sakramentalen Zeichen Sinn zu verleihen. Was bedeutet das für die Firmung?
von Judith Furrer Villa
Wann haben Sie das letzte Mal mit jemandem Geburtstag gefeiert? Gemeinsam mit lieben Menschen zelebrieren wir einmal im Jahr unsere Freude darüber, dass diese bestimmten Menschen auf der Welt sind, und unsere Dankbarkeit dafür, dass ihnen wieder ein Jahr Lebenszeit geschenkt wurde. Auch wenn wir unserer Freude, Dankbarkeit und damit auch unserer Liebe vielleicht nur dieses eine Mal im Jahr Ausdruck verleihen, tragen uns diese Gefühle auch in der restlichen Zeit.
Die Feier des Geburtstags ist ein verdichteter Moment für etwas, das auch sonst da ist. Und so ist das auch bei der Feier von Sakramenten. Rund um die Geburtstagsfeiern kennen wir in unseren Breitengraden viele Traditionen: Es werden Gratulationskarten geschrieben, für jedes Lebensjahr brennt auf dem Geburtstagskuchen eine Kerze, «Happy Birthday» wird gesungen und Geschenke werden gereicht. Doch alle diese Zeichen und Rituale weisen über sich hinaus. Sie sind Symbole und Symbolhandlungen für die oben beschriebene Freude, Dankbarkeit und Liebe. Sie tragen weit mehr Bedeutung in sich, als sie selber sind.
Auch darin gleicht die Feier von Sakramenten der Geburtstagsfeier. Sakramente weisen über Zeichen und Zeichenhandlungen auf Gott hin. Sie öffnen ein Fenster auf eine Dimension des Lebens, die unsere eigenen menschlichen Möglichkeiten übersteigt, und verbinden uns mit ihr. Gott ist immer schon da. In der Feier der Sakramente können wir uns mit ihm verbinden und unserer Beziehung zu ihm Ausdruck verleihen. Gleichzeitig erfahren wir dabei diese Beziehung auch immer wieder neu.
Würden Sie mit jemandem Geburtstag feiern, den sie gar nicht kennen? Und falls Sie in eine solche Situation kämen, was würden Sie wünschen und schenken? Wir alle haben wohl in unserem Leben so viele Geburtstage mitgefeiert, dass wir problemlos in der Lage wären, diese ungewohnte Situation zu meistern. Wir würden allgemeingültige Floskeln und ein unverfängliches Geschenk wählen. Doch ginge aufgrund der fehlenden Beziehung nicht sehr viel von der Tiefe der Zeichen verloren?
Bei der Hinführung zu den Sakramenten stellen sich für Katechet:innen ähnliche Fragen. Ein intuitiver Zugang zu Sakramenten ist heute schwieriger geworden. Viele Kinder und Jugendliche bringen kaum noch Erfahrungen mit Religion und Kirche mit. Religiöse Lebensdeutungen werden nicht mehr verstanden, gelten als unvernünftig und werden gegen wissenschaftlich fundierte Weltbilder ausgespielt.
Die Beziehung zu Gott wird nicht erfahren oder nicht als solche benannt. Damit wird es auch schwieriger, den sakramentalen Zeichen und Handlungen Sinn zu verleihen. Pfarreien, die Jugendliche erst im Alter von 18 Jahren firmen, versuchen auf diese Realität zu reagieren. Man möchte den Firmanden die Möglichkeit der Reflexion und des Verstehens bieten und sie unterstützen, eine lebendige Beziehung zu Gott aufzubauen, aus der heraus die Entscheidung zur Firmung mit einem bewussten Ja getroffen werden kann. Im Sakrament soll ja schliesslich gefeiert werden, was da ist.