Das Care-Team betreut Menschen in der Akutphase nach einem Ereignis. Foto: Screenshot Tele Bärn

Mit den Urfragen des Lebens konfrontiert

09.02.2022

Was genau tut das Care-Team Bern?

Wenn ein Mensch unerwartet stirbt, sei es durch einen Unfall oder ein Verbrechen, stehen die Direktbetroffenen oft unter Schock. In der Akutphase, das sind meist die ersten 24 Stunden nach einem solchen Ereignis, werden sie oft durch das Care Team Kanton Bern (CTKB ) seelsorgerlich und psychologisch betreut. 613 solcher Einsätze leistete das 165-köpfige Team 2021, bei durchschnittlich einem Ereignis pro Tag (354).

Von Sylvia Stam

«Wir werden zeitnah alarmiert», erläutert Imelda Moser, Leiterin des CTKB, gegenüber dem «pfarrblatt». «Wer muss betreut werden und wo?», seien erste Fragen, die es zu klären gilt. So rückte beispielsweise letzte Woche ein Zweierteam nach Köniz aus und hat hier die engere Familie betreut.

Doppelte Rolle

«Das Care-Team hat oft eine doppelte Rolle: Wir unterstützen die Betroffenen, aber ebenso Partner wie die Polizei oder die Sanität». Im Falle einer Reanimation beispielsweise nehme das CareTeam Angehörige zur Seite, damit die Sanität ungehindert Zugang zur verunfallten Person hat.

Wie aber sieht die Unterstützung für Betroffene konkret aus? «Sie sollen zuerst einmal erzählen können», sagt Moser. «Wir besprechen aber auch erste Planungen für die kommende Zeit.» Wichtig sei, auch auf die Handlungsebene zu kommen, damit die Betroffenen sehen, dass es mit kleinen Schritten vorwärts geht.

Interesse am Menschen

Im Falle des Todesfalls von letzter Woche war das Care-Team auch in der Schule im Einsatz. «Hier haben wir mit der Lehrperson überlegt, was jetzt angebracht sei.» Es sei wichtig, dass das Team mit den verschiedenen Bedürfnissen der einzelnen Schüler:innen umgehen könne. In diesem Fall entschied sich die Klasse für kleine Rituale.

Interesse an den Menschen, die Frage, «was dich bewegt», nennt Moser denn auch als eine der Grundvoraussetzungen für diese Tätigkeit. «Seelsorgende bringen eine solche Unvoreingenommenheit meist bereits mit», sagt Moser, die bis 2015 als reformierte Pfarrerin tätig war. Die Fähigkeit, in Konfliktsituationen auf unterschiedliche Bedürfnisse einzugehen, sei ebenfalls sehr zentral. Moser nennt weiter Kommunikationskompetenz und Sprachkenntnisse in Deutsch und Französisch als Voraussetzungen. Solche Fähigkeiten werden am Eignungstag in Rollenspielen überprüft.

«Unerschütterliches Gottvertrauen»

Wie geht sie selber damit um, immer wieder mit Notfallsituationen konfrontiert zu sein? «Ich stelle mir vor, ich würde das selber erleben. Gleichzeitig vergesse ich das «wie wenn» nicht», sagt Moser, und beruft sich auf ihre Clinical Pastoral-Trainings-Ausbildung. Eine Stütze sei ihr auch der Glaube: «Ich habe ein unerschütterliches Urvertrauen, dass Gott da ist und niemanden im Stich lässt», so die Theologin. «Wir erkennen Gottes Plan nicht immer, vielleicht gibt es auch keinen, dann gibt es nur das Leiden am Kreuz». Auch wenn es paradox klinge, sei es dennoch befriedigend, mit den Urfragen des Lebens konfrontiert zu werden: «Warum gibt es Leiden? Wo finden Menschen Unterstützung? Wie kann Leben sinnvoll sein?»

Prägend seien für sie auch biblische Texte wie das Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder Psalm 23, in dem es etwa heisst: «…und wandere ich im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unheil».

2021 leisteten die 165 Mitglieder des Care Teams Kanton Bern (CTKB) bei 354 Ereignissen insgesamt 613 Einsätze. Davon standen 80 Prozent in Zusammenhang mit Todesfällen. Betreut wurden in rund 1500 Arbeitsstunden 3000 Personen aller Altersgruppen. Von den 165 Mitgliedern sind laut Moser etwa 60 «Care Profis», dies sind Psycholog:innen, Psychiatriepfleger:innen und 17 Theolog:innen.  Die übrigen rund 100 «Care Givers» kommen aus ganz verschiedenen Berufen, darunter viele Pflegefachleute, aber auch Anwältinnen und Lastwagenchauffeure. Die Tätigkeit im CTKB gilt als freiwilliger Schutzdienst (analog etwa zum Zivilschutz). Die aufgewendete Zeit gilt somit als Arbeitszeit, wofür der/die Arbeitgeber:in Gelder aus der Erwerbsersatzordnung erhält. Zur Trägerschaft gehört das Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär sowie die Interkonfessionelle Konferenz des Kantons Bern, zu der die drei Landeskirchen und die jüdische Gemeinde. sys