Mittsommertage

29.08.2023

Für Sie gelesen. Tipps aus der Buchhandlung voirol

Für Sie gelesen. Tipp aus der ökumenischen Buchhandlung voirol

Ruth Lember, Ethikprofessorin in Berlin, steht kurz vor dem Höhepunkt ihrer erfolgreichen Karriere: Sie soll Mitglied des Deutschen Ethikrates werden. Als Ruth bei ihrer morgendlichen Joggingrunde von einem nicht angeleinten Hund gebissen wird, scheint das nur ein störendes Missgeschick zu sein. Aber tatsächlich schwelt die Wunde weiter, und das Ärgernis ist erst der Beginn einer ganzen Reihe von Ereignissen, die Ruths jetziges Leben zunehmend in Frage stellen. Ein Freund aus Ruths Studienzeit taucht auf und erinnert sie nicht nur an ihre einstige Liebe, sondern auch an einen nie geahndeten Anschlag als Umweltaktivistin. Weder ihr Mann Ben noch seine Tochter Jenny wissen von ihrer politischen Vergangenheit. Falls diese bekannt werden sollte, könnte ihre Karriere und ihre Ehe in Gefahr geraten.

Die Geschichte erstreckt sich über eine Woche im Juni 2022. Dennoch erhält man einen kompakten Überblick über alles Wesentliche im Leben der Hauptperson. Von besonderem Interesse ist dabei ihre schon Jahrzehnte zurückliegende Rolle als Aktivistin in der Umweltbewegung und die von ihr in der Gegenwart dazu vertretene Ansicht als Ethikerin.

Ich finde den Roman eher ruhig und nachdenklich, aber auch spannend; vor allem die ethisch-moralischen Passagen sind sehr interessant. Dem studierten Philosophen Woelk gelingt es dabei hervorragend, zum Nachdenken über verschiedene Fragen anzuregen: Können wir unsere früheren Lebensentscheidungen ganz verstehen? Ist Klimaprotest legitim in einer Welt, in der ein Grenzwert nach dem anderen überschritten wird? Oder welche Verantwortung hat die Einzelne mit ihrem alltäglichen Konsum? Indem Woelk den Protest der Klimabewegung in seinem Buch aufgreift, trägt «Mittsommertage» auch zur aktuellen politischen Debatte bei.

Alexander Thuss

Ulrich Woelk: Mittsommertage, C.H. Beck 2023, 285 S., Fr. 34.50.