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Monte-Rosa-Hütte
Kolumne aus der Inselspitalseelsorge
Herr P. liegt auf meiner Station. Die Pflege macht mich auf ihn aufmerksam. Er freut sich über meinen Besuch und beginnt gleich zu erzählen: Seit seiner Kindheit litt er an einer Lungenkrankheit, die ihn immer mehr einschränkte. Er liebte es draussen zu sein, auch in den Bergen. Sein grösster Wunsch war es, einmal zur Monte-Rosa-Hütte auf- zusteigen und dort zu übernachten. Doch es schien nicht so, als würde sein Wunsch in Erfüllung gehen. Seine Krankheit schränkte ihn immer mehr ein und mit der Zeit konnte er ohne Sauerstoff den Alltag nicht mehr bewältigen.
Er bekam eine Spenderlunge und kämpfte sich wieder zurück ins Leben, mit allen Einschränkungen, die eine Transplantation mit sich brachte. Er wusste auch, dass diese neu gewonnene gesundheitliche Freiheit nicht für immer anhalten würde und er nur einen Aufschub um ein paar Jahre bekam. Herr P. konnte wieder vermehrt in den Bergen unterwegs sein. Stur verfolgte er sein Ziel, einmal zur Monte-Rosa- Hütte aufsteigen zu können. Irgendwann war es so weit. In Begleitung eines Bergsteigers nahm er die Wanderung in Angriff. Er erzählte mir, wie er dabei an seine Grenzen kam und immer längere Pausen einlegen musste.
Er war nah daran, aufzugeben. Doch sein Bergführer motivierte ihn und meinte, gemeinsam würden sie auch noch dieses letzte Stück zur Hütte schaffen, Schritt für Schritt.
Jetzt ist Herr P. wieder im Spital. Sein Zustand hat sich verschlechtert, und es ist nicht klar, wie es weitergeht. Doch er erzählt voll Freude, wie er vor ein paar Jahren wirklich den Weg zur Monte-Rosa-Hütte unter die Füsse nahm und damit sein grösster Lebenstraum in Erfüllung ging.
Martina Wiederkehr-Steffen,Seelsorgerin im Inselspital