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Musse, die –
Gedanken zu verschiedenen Arten des Nichtstuns
Das gegenwärtige Arbeitsklima in der Schweizer Bevölkerung ist seltsam. Einerseits erfährt man (aufgezwungenen) Müssiggang – Home Office, Zwangsferien, Kurzarbeit. Gleichzeitig herrscht Nervosität, die Wirtschaft muss wieder angeworfen, Arbeit nachgeholt werden. Zudem haben die Sommerferien angefangen. Was nun: Nichtstun oder harte Arbeit?
Schon die alten Griechen wussten um den Wert des Nichtstuns. Die «Musse», wie die Zeit genannt wird, die uns und nur uns zur Verfügung steht, war in der Antike ein hohes Gut. Sokrates bezeichnete sie als «Schwester der Freiheit». Merke: Musse ist nicht gleichzusetzen mit Freizeit. Auch Freizeit kann fremdbestimmt sein, gefüllt mit Tätigkeiten, die wir mehr oder weniger freiwillig ausführen. Musse meint eine wirklich «leere» Zeit, die ganz nach eigenem Gutdünken gestaltet werden kann.
Im christlichen Glauben nimmt die Arbeit einen hohen Stellenwert ein. Vom Buch Genesis bis zu päpstlichen Enzykliken wurde sie immer wieder als fundamentale Dimension des Menschseins reflektiert. Mit dem Müssiggang tut sich die Theologie dagegen eher schwer, ist doch Faul- oder Trägheit nach katholischer Lehre eines der sieben Hauptlaster. Aber: Mit dem Laster der «Acedia» ist nicht Müssiggang gemeint, sondern Trägheit, Überdruss, Lustlosigkeit – wenn die Stunden vergehen, man sich zu nichts aufraffen kann und am Ende des Tages frustriert über die ergebnislos verronnene Zeit ist. Guter, wohltuender Müssiggang fällt sicher nicht in diese Kategorie. Nach Aristoteles: «Wir arbeiten, um Musse zu haben.»
Den Gegensatz stellt die kapitalistische Logik dar, nach welcher der Nutzen von Arbeit nur im Mehrwert in Form von Geld besteht. Dieses Verständnis von Arbeit geisselte Papst Johannes Paul II. bereits in seiner Enzyklika «Laborem exercens». Um wirklich ganz Mensch zu sein, müssen wir arbeiten. Daneben muss man aber, wie Astrid Lindgren wusste, «ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen».
Sebastian Schafer