Die erste Nationalratspräsidentin der Schweiz: Elisabeth Blunschy-Steiner eröffnet am 6. Juni 1977 im Bundeshaus in Bern mit der Glocke die Sommersession. Foto: Keystone/Str
Mut und Stärke - Elisabeth Blunschy-Steiner (1971)
Elisabeth Blunschy, die erste Nationalratspräsidentin der Schweiz, geriet in ihrem Kampf für das Frauenstimmrecht auch mit der Kirche aneinander.
«Es gibt schon welche, die finden, ich solle lieber putzen oder jäten», bemerkt Elisabeth Blunschy-Steiner im Sommer 1971. Anfang Jahr sagten 65,7% der Schweizer Ja zum Stimm- und Wahlrecht der Frauen. Nun kandidiert die Schwyzer Anwältin für den Nationalrat. Angefragt hat die CVP Parteileitung pikanterweise ihren Mann. Doch Alfred Blunschy, auch er Jurist, verwies auf seine Frau. Elisabeth Blunschy wird gewählt - in einem Kanton, der das Frauenstimmrecht kurz zuvor noch abgelehnt hat - und gehört zu den 10 ersten Nationalrätinnen der Schweiz. 1977 wird sie die erste Nationalratspräsidentin des Landes.
Die Pionierin der Schweizer Politik startete ihre politische Karriere 1957 im SKF Schweizerischen Katholischen Frauenbund. In ihrem Engagement für das Frauenstimmrecht - die Abstimmung von 1959 stand vor der Tür - traf die SKF Präsidentin auf einen harten kirchlichen Gegenspieler: Bischof Franziskus von Streng. Dieser war entschiedener Gegner des Frauenstimmrechts - er verliess auch schon mal demonstrativ eine Tagung des SKF, um seinen Missmut zu äussern - und forderte im Vorfeld der Abstimmung von der Verbandsleitung «weise Zurückhaltung». Doch Elisabeth Blunschy hielt dem Druck stand und wurde von der Delegiertenversammlung 1958 bestätigt. Mit einer grossen Mehrheit sprachen sich die katholischen Frauen für die Ja-Parole aus.
Der Umbruch in den Reihen des SKF, der 1929 noch gegen das Frauenstimmrecht votierte, hatte schon in den Vierziger Jahren begonnen und löste bei der Bischofskonferenz und den Geistlichen Begleitern einigen Unmut aus. Als die Frauen 1945 Unterstützung aus Rom bekamen - der Papst rief nach dem Krieg die Italienerinnen auf, zur Urne zu gehen - verbot Bischof von Streng kurzerhand den Abdruck der Rede in der SKF-Verbandszeitung, während andere wortreich zu erklären versuchten, warum der päpstliche Aufruf für die Schweiz nicht gelten könne. Widerwillig verzichtete der Vorstand 1946 auf sein Ja und beschloss Stimmfreigabe. Seine Forderung, die «Schweizerfrauen staatsbürgerlich zu schulen», musste mit dem «unmissverständlichen» Zusatz ergänzt werden, es sei «vor allem auch dahin zu wirken, dass die Frauen sich ihrer ureigensten Aufgaben in Familie und Erziehung im Dienste des Volksganzen bewusst bleiben.» (Elisabeth Joris, in: FrauenBande).
Angela Büchel Sladkovic
Die Jahresserie 2016 im Überblick
Literatur und Quellen:
FrauenBande. 100 Jahre Schweizerischer Katholischer Frauenbund, Luzern 2012. Inge Sprenger Viol, Drei Wege ins Bundeshaus, Luzern 2003.
St. Galler Tagblatt, 13. Juli 2013 (Zugriff 1.2.2016)