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Nächtliches Curry

30.09.2020

... oder das Gefühl, dass andere ebenfalls da sind - und mittragen

Neulich in einem Pikettdienst klingelt das Telefon mitten in der Nacht. Die Anruferin bittet mich, als Unterstützung für die Eltern einer kleinen Patientin auf die Kinderintensivstation zu kommen. So fahre ich um diese späte – oder bereits frühe – Uhrzeit ans Inselspital. Oft, eigentlich meistens, wenn ich mich um diese Zeit dem Spital nähere, breitet sich in mir beim Betrachten der einzelnen, beleuchteten Fenster der Stationszimmer ein sonderbares Gefühl aus. Ich weiss nicht, ob es die Erinnerung an die weihnächtliche Krippenszene, an den hell erleuchteten Stall ist. Ich spüre Geborgenheit und Getragensein. Diese Gefühle rufen mir ins Bewusstsein, dass in all diesen hell erleuchteten Zimmern Menschen arbeiten, die noch wach sind und sich um andere kümmern. Ich hoffe, dass in den anderen Zimmern, wo kein Licht brennt, Menschen sind, die schlafen, sich ausruhen dürfen und so zu Energie und Kraft finden.

Kaum auf der Abteilung angekommen, begrüsst mich eine Pflegende sehr herzlich und meint, es würde wohl ein längerer Einsatz werden. Falls ich irgendwann Hunger bekom men sollte, so stehe in der Küche ein Topf mit Curry, daneben ein anderer mit Reis, ich dürfe mich einfach bedienen. Es sei sehr lecker, der Ehemann einer Arbeitskollegin hätte dieses Essen für das Team zubereitet. Wieder ist es da, dieses Gefühl, das mich spüren lässt, dass ich nicht alleine bin. Dass andere ebenfalls da sind, die mittragen, mit denen ich teilen kann.

Es sind häufig solch nächtliche Einsätze, in denen ich diesen interprofessionellen Austausch, das Zusammenarbeiten mit Kolleg*innen als unglaublich bereichernd und tragend erlebe. Es ist ein Gefühl von «teilen können». Und dieses Teilen lässt so manches schier Unerträgliche aushalten. Das alte Sprichwort «Geteiltes Leid ist halbes Leid» mag da schon stimmen. Dass Teilen nicht immer einfach fällt, weiss und kennt sicher jede*r von uns. Trotzdem sehe ich es als grosse Bereicherung für uns alle, wenn wir uns immer wieder darauf einlassen und es versuchen. Im Kleinen oder auch im Grossen, im Persönlichen und Beruflichen, mit einem Topf Curry oder dass wir einfach das Licht brennen lassen, sodass andere merken, dass jemand da ist.

Patrick Schafer, kath. Seelsorger

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