Was könnte nicht alles passieren? Gefahren in der Natur lauern überall. Doch es gilt mit Vertrauen das Wagnis einzugehen. Foto: Francesca Schellhaas, photocase
Natur erleben - von Wagnis und Vertrauen
«Natur erleben» wird für viele Eltern immer mehr zu einem Wagnis. Warum das nicht sein sollte, erklärt die Jubla.
«Natur erleben» ist einer der fünf Grundsätze von Jungwacht Blauring. Auf den ersten Blick liest er sich wunderbar und einfach umsetzbar – denn wollen wir das nicht alle, als Erwachsene oder Kinder, draussen sein und die Natur erleben? Im Wald, Schnee oder auf dem Wasser unterwegs sein? Kinder und Jugendliche sollen ihre Sehnsüchte, und damit auch ihre Sehnsucht nach Natur- und Walderlebnissen, ausleben können.
In der Realität wird die Umsetzung des Grundsatzes aber öfters mal schwierig. Viele Eltern wittern überall Gefahren und wollen ihre Kinder bewahren – vor Schmerzen, Wunden und blauen Flecken. Das Klettern auf Bäume, das Bauen von Baumhäusern, das Stauen von Bächen, das in voller Kleidung in einen Teich Springen – alles keine Dinge, die wirklich gefährlich sind – aber sie sind anarchisch, ecken vielleicht bei den Nachbarn an und sie machen dreckig – aber glücklich. Diese Haltung bemerken alle Jugendverbände in ihrer Arbeit, und sie zeigt sich im veränderten Freizeitverhalten der Kinder.
Einen Menschen zu lieben heisst, ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat.
Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Wie damit umgehen? Auf die «Natur zu erleben» gänzlich zu verzichten, ist keine Option. Auf Seite der Jugendverbände wird viel dafür getan, dass eine qualitativ gute (Sicherheits-)Ausbildung bei allen Leitungspersonen Standard wird. Bereits Jungleitende lernen, wie sie mit den Risiken der Natur und in der Natur umgehen und die ihnen anvertrauten Kinder angemessen begleiten. Eine Herausforderung ist und bleibt es, diese gute Aubildung stetig zu kommunizieren und unter Beweis zu stellen.
Vertrauen statt Angst
Für alle Seiten – Eltern, Erziehungsberechtige wie auch Leitungspersonen – gilt es, eine Intuition zu entwickeln, wo wirklich Gefahr droht und das Kind geschützt werden muss. Denn das Gegenstück zur Angst ist nicht unbedingt der Mut oder Übermut, sondern das Vertrauen. Das Vertrauen in die eigene Sicherheit, um loszulassen. Das Vertrauen ins Kind, dass es weiss, was es tut – oder zumindest souverän mit seinem eigenen Tun umgehen kann. Das Vertrauen in die Umwelt, dass sie nicht konstant bedrohlich ist. Und nicht zuletzt auch das Vertrauen in jugendliche Leitungspersonen im Kinder- und Jugendverband: Sie betreuen die ihnen anvertrauten Kinder zwar anders, aber meist äusserst vertrauenswürdig. Mit geschultem Auge für die Schätze und Risiken in der Natur ermöglichen sie den Kindern, in einem anderen Rahmen Natur zu erleben.
Wagnis eingehen
Jemanden zu lieben, hat einmal ein gescheiter Herr gesagt, heisst, jemanden so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat. Die Natur sieht jedes Kind so, mit ihren Blüten, ihren glitzernden Eiskristallen, ihren zum Aufstieg verlockenden Bäumen und Bergen. Sie sieht uns und begrüsst uns stumm und ohne Kommentar, als mächtige und schöne Kraft des Lebens. Vertrauen haben und das Naturerlebnis zulassen – das Wagnis lohnt sich.
Silja Wenk, Kantonspräses Jungwacht Blauring