Bischof Frank steht für die Einheit im schweizweiten christkatholischen Bistum. Foto: Ruben Sprich

Neuer Berner Bischof: ein besonnener Brückenbauer

Seit Kurzem steht Bischof Frank Bangerter im Rampenlicht. Bedacht, geradlinig und feinfühlig spricht der oberste Christkatholik über sein Amtsverständnis, die römisch-katholische Weltkirche und Reformideen für seine Glaubensgemeinschaft.

 

Interview: Anouk Hiedl, Fotos: Ruben Sprich

«pfarrblatt»: Sie sind frischgebackener Bischof. Wie haben Sie Ihren Rollenwechsel erlebt?

Frank Bangerter: Meine Wahl im Mai hat mich wie ein Blitz getroffen und mein Leben von einem Moment zum anderen verändert. Das Medieninteresse war sofort da, und intern folgten umgehend Anfragen für Firm- und Weihetermine. Insgesamt habe ich diese Freude, Ehre und dieses Wohlwollen fast wie in einem Rausch erlebt. Die Bischofsweihe Mitte September war für mich ein spiritueller Moment. Meine kommenden Aufgaben von Erzbischof Bernd Wallet von Utrecht in der feierlichen Stimmung zu hören, war überwältigend, und ich fragte mich: Kann ich das? Bin ich würdig, diese besondere Aufgabe zu erfüllen, die mir da übergeben wird?

Ihr Stab zeichnet Sie nun als pastorale Autorität und als Hirte aus. Wie sehen Sie sich?

Frank Bangerter: Eher als Hirte – wobei niemand ein Schaf sein will. Ich stehe vielmehr für die Einheit in meinem Bistum und dafür, diese im Glauben zusammenzuhalten. Da gehört der Stab symbolisch dazu, genau wie das Bischofskreuz. Meines nimmt die doppelte Natur Christi in seinen zwei Materialien auf. Holz steht für «Jesus ist ganz Mensch» und Gold für «Jesus ist ganz Gott».

Wie lautet Ihr Wahlspruch?

Frank Bangerter: Es ist ein Psalm, der mich durchs Leben begleitet: «Mit meinem Gott überspringe ich Mauern.» Gott stattet uns mit Kraft, Energie und Vertrauen aus, um Hindernisse zu überwinden. Er erwartet von uns, dass wir springen. Es liegt an uns, dieses Wagnis mutig einzugehen und es auch wirklich zu tun.

Als einziger christkatholischer Bischof der Schweiz wollen sie nahbar bleiben. Wie kann das gelingen?

Frank Bangerter: Als Pfarrer bin ich mit den Menschen vor Ort mitgegangen. Als Bischof bin ich für meine Geistlichkeit verantwortlich. Ich werde weiterhin seelsorgerisch unterwegs sein und kann neu sagen, was ich so (nicht) haben möchte. Manches darf oder muss ich selbst wahrnehmen, anderes kann ich delegieren. Was ich wie tun werde, muss ich noch herausfinden.

Sie sind schweizweit der erste offen homosexuelle Bischof. Haben Sie dazu Reaktionen von Religionsvertretenden bekommen?

Frank Bangerter: Religionsvertretende haben mir gratuliert, sich aber nicht zu meiner sexuellen Orientierung geäussert. Andere Menschen haben es getan. Mich haben ausschliesslich positive Reaktionen erreicht, wie «Endlich!» oder «Ihr macht, was ihr von Herzen denkt und glaubt». Bringt man Themen wie Homosexualität mit einzelnen Bibelpassagen und ohne weiteren Kontext in Bezug, verwendet man die Bibel wie ein Kochbuch und nimmt den Willen Gottes nicht ernst. Stattdessen kann man aus den einzelnen biblischen Rezepten etwas Neues entstehen lassen – etwas, das heutige Köch:innen daraus machen. Es ist an uns, wie wir Gottes- und Nächstenliebe leben. Wir sind da, um einander zu bestärken. Gott hat uns vielfältig erschaffen. Nur wir Menschen meinen manchmal, daran sei etwas nicht in Ordnung.

Die christkatholische Kirche denktliberal (siehe Kasten). Sie wollen weitere Reformen. Welche?

Frank Bangerter: Manche wollen, dass die Sprache im Gottesdienst verständlicher wird, während die traditionelle Kirchensprache anderen hilft, in eine spirituelle Dimension zu gelangen. Deshalb werde ich anstossen, innerhalb der geltenden Vorgaben über die liturgische Sprache nachzudenken. Zudem möchte ich die heutigen Anforderungen und Möglichkeiten unserer Pfarrer:innen, Diakon:innen und Lai:innen hinterfragen. Welchen Nachwuchs und welche Quereinsteigenden haben wir? Welche Ausbildungen, nebst dem klassischen Theologie-Masterstudium in Bern, können wir anerkennen? Wem kann man mehr Instrumente an die Hand geben? Auch da können wir manches «verheutigen» und in der katholischen Tradition bleiben.

Woran liegt der Mangel an Ihrem theologischen Nachwuchs?

Frank Bangerter: Wie alle Konfessionen spüren auch wir die Säkularisierung der Gesellschaft und den Bedeutungsverlust der Kirchen. Das lange Theologiestudium, zu dem das Erlernen der alten Sprachen gehört, mag auch mit ein Grund sein, diesen Weg nicht einzuschlagen.

Sie verstehen sich als Brückenkirche zwischen dem reformierten, katholischen und orthodoxen Glauben. Warum halten sich die Zahl und der Zulauf an Christkatholik:innen in Grenzen?

Frank Bangerter: Das kann ich nur vermuten. In der Schweiz ist die christkatholische Landeskirche klein. Das war nicht immer so, insbesondere nach der Trennung von der römisch-katholischen Kirche im 19. Jahrhundert nicht. Es strömen auch nicht scharenweise enttäuschte Personen aus der römischkatholischen Kirche zu uns. Das hat wohl damit zu tun, dass man nach einem Konfessionsaustritt bereits einen langen Weg des Haderns hinter sich hat und die neue persönliche Freiheit erst einmal in Anspruch nehmen möchte. Vielleicht findet man mit einem gewissen Abstand eine neue spirituelle Heimat, vielleicht auch bei uns.

Sie sind reformiert aufgewachsen. Ist die christkatholische Kirche eine Kirche von Konvertit:innen?

Frank Bangerter: Die christkatholische Gemeinschaft ist seit jeher klein, offen und ökumenisch unterwegs. Beziehungen waren von Anfang an konfessionsübergreifend. Das ist auch in meiner Gesamtfamilie so. Da besteht immer das Risiko, dass eine römisch-katholische oder reformierte Kirche räumlich näher ist und Gläubige nicht mehr zu uns kommen. Uns geht es darum, das Evangelium begeistert, gut und glaubwürdig zu verkünden. Um unsere Grösse müssen wir uns nicht so viele Gedanken machen. Wir vertrauen auf den Heiligen Geist. Zum Christkatholischen konvertieren vor allem römisch-katholische und reformierte Menschen, die das Sinnliche im Gottesdienst suchen und unsere Freiheit im Denken teilen. Wir sind niemandem verpflichtet, ausser Gott.

Wie stehen Sie zur römisch-katholischen Kirche?

Frank Bangerter: Die katholische Weltkirche funktioniert je nach Land und dessen Geschichte unterschiedlich. Das zusammenzuhalten, ist höchst anspruchsvoll. Ich beobachte und lerne, wie sie das angeht. Aktuell diskutiert die katholische Weltsynode, was die Basis wünscht. Themen wie Zölibat oder Frauenordination fallen nicht überall ins Gewicht. Wie weit kann man wo gehen, ohne dass es die Kirche zerreisst?Ich leide und freue mich mit. Auch in der christkatholischen Kirche haben wir genug zu tun. Jeder Schritt ist ein Ringen – wie und wo können wir das Evangelium heute umsetzen? Besser als mit «Aggiornamento», dem Leitmotiv des Zweiten Vatikanischen Konzils, kann man das nicht sagen.

Was wünschen Sie der Weltsynode im Vatikan?

Frank Bangerter: Ganz viel Heiligen Geist, viel Inspiration und aufeinander hören. Sodass die Teilnehmenden einen guten Weg finden, den sie bedacht, respektvoll und im Bewusstsein, eine Weltkirche zu sein, gemeinsam gehen können. Das ist eine ganz andere Dimension als die christkatholische.
 

Gewählt, geweiht, geachtet 
Frank Bangerter, 61, aus Lyss BE, hat als Ökonom ursprünglich im Personalwesen und für Aids Info Docu Schweiz gearbeitet. Nach seinem Theologiestudium war er seit 2010 Pfarrer in Zürich. Am 24. Mai wurde er von der christkatholischen Nationalsynode zum achten Bischof der christkatholischen Kirche der Schweiz gewählt, und am 14. September weihte ihn Erzbischof Bernd Wallet von Utrecht vor rund 400 Gästen in Bern.

Christkatholisch in Kürze
Die kleinste Schweizer Landeskirche umfasst gut 12’000 Mitglieder in allen Sprachregionen und in einem landesweiten Bistum. Die christkatholische Bischofsperson und die Nationalsynode (bestehend aus Geistlichen und Lai:innen) entscheiden gemeinsam. Seit 1999 werden auch Frauen zum Priester- oder Bischofsamt ordiniert, und 2022 stimmte die christkatholische Kirche der Schweiz dem Antrag «Ehe für alle» zu. Seither werden auch gleichgeschlechtliche Paare in ihrem kirchlichen Eheregister eingetragen.