«Auch wenn schlecht ausgesuchte Geschenke im Müll landen, waren es doch Gaben.» Beat Sterchi. Foto: Pia Neuenschwander
Nicht mit Kerzen sparen
Weihnachten ist eine Erfolgsgeschichte, sagt Autor Beat Sterchi
Weihnachten kann zwar schiefgehen, funktioniert aber doch alles in allem so gut, dass man von einer wahren Erfolgsgeschichte reden kann.
von Beat Sterchi
Schon wieder steht sie vor der Tür. Was kann man machen! Damit muss man sich abfinden. Es geht vielleicht ohne Kirche, aber es geht nicht ohne Weihnachten.
Leider kann Weihnachten schiefgehen. Auch das weiss man. Vorsicht ist geboten. Wie schön, dass sich am Heiligen Abend die ganze Familie trifft, schön, dass Gäste kommen. Aber wie leicht kann das liebevoll zubereitete Essen in den Streit des Jahres ausarten. Trotzdem ist Weihnachten eine Erfolgsgeschichte.
Man kann sich nur wundern, wie gut Weihnachten funktioniert. Das Weihnachtsfest funktioniert sogar so gut, dass jemand wie bei der Fussball-WM auf die Idee kommen könnte, sie öfter durchzuführen. Gut, man kann die Kommerzialisierung verabscheuen, man kann schimpfen über Heuchelei. Man kann auf Krieg und Klima verweisen. Draussen stirbt die Welt, aber in der Stube das goldene Lichtlein brennt. Man kann Weihnachten auch boykottieren oder einen Flug in ein fernes Land buchen.
Der Ausspruch «Jetzt haben wir die Bescherung» kommt nicht von ungefähr. Aber das ändert rein nichts an der Tatsache, dass an Weihnachten viele Menschen aufeinander zugehen oder zusammenkommen oder schlicht und einfach etwas Gutes tun wollen. Ja, an Weihnachten kann es Krach geben, aber es wird auch endlich der überfällige Besuch abgestattet, es wird der Vergessenen gedacht, und auch das mit diesem Schenken kann durchaus aus sehr edlen Motiven erfolgen. Glanz und Glitter zum Trotz.
Zugegeben, es gibt Leute, die werden vielleicht von einem schlechten Gewissen oder sonst einem Teufel geritten und drehen durch mit ihren Gutscheinen und Gutschriften oder mit ihrem besonders prächtigen Weihnachtspapier für die grossen und kleinen wunderschönen Päcklis. Aber da kann man sich lange an den Kopf greifen und auf Fragwürdigkeit und Exzesse verweisen.
Auch wenn schlecht ausgesuchte Geschenke im Müll landen, waren es doch Gaben. Es waren Gaben, denen vielleicht die Würde von Gold, Weihrauch und Myrrhe abgeht, trotzdem können sie von Herzen kommen und Freude machen. Schenken ist Schenken. Das ist immer gut.
Zur Erfolgsgeschichte der Weihnacht gehört auch der einst klug gefällte Entscheid, die Geburt Christi geschichtsunabhängig in die dunkelsten Wintertage zu verschieben. Wer hinter dieser genialen Idee steckte, liesse sich sicher herausfinden. Klar ist, Weihnachten im August wäre bald so etwas wie Pfingsten. Nirgends und nie leuchten die Sterne heller als in der Nacht, und nirgends kommt dem Licht grössere Bedeutung zu als in der Dunkelheit.
Besonders für nördlich gelegene Länder zweifelsfrei ein entscheidender Schachzug. Darum soll es ja gehen. Um das Licht. Und weil Licht auch noch Wärme bedeutet, kommt Weihnachten schon ganz nahe ans Elementare. Der Schnee von gestern wird zwar bald wieder schmelzen, aber auch der Schnee spielt seine Rolle bei der Inszenierung der Frohen Botschaft.
Licht und Wärme in der Kälte der Nacht. Irgendwo dort ist denn auch das Weihnächtliche zu finden.
Beat Sterchi
Licht und Wärme, Wärme und Licht, in der Kälte der Nacht. Irgendwo dort ist denn auch das Weihnächtliche zu finden. Denn das Weihnächtliche gibt es sehr wohl. Es gibt das Weihnächtliche mittlerweile mit oder ohne «Stille Nacht, heilige Nacht», es gibt es auch jenseits der schönen Asylantengeschichte aus dem Stall von Betlehem. Das Weihnächtliche ist nicht immer leicht zu fassen und doch wird es auch von areligiösen Eltern weitergereicht.
Es gibt Eltern, die meinen, ihren Kindern kein Kreuz zumuten zu dürfen, aber Weihnachten und damit auch das Weihnächtliche werden sie ihnen nicht verweigern. Weihnachten bleibt eine Erfolgsgeschichte. Ist das Stimmungskunstwerk Tannenbaum einigermassen gelungen, leuchtet das Weihnächtliche unübersehbar in den Augen der staunenden Kinder. Nichts brauchen Kinder mehr als Licht und Wärme. Bloss nicht mit Kerzen sparen.