Gewaltfrei. Amira Hafner-Al Jabaji. zVg

Nichts ersetzt den Dialog

21.01.2015

Zuerst die Koran-Attacke in der «Weltwoche» und jetzt das Attentat auf «Charlie Hebdo»: Der Dialog der Religionen kommt auch in der Schweiz unter Druck. «Wer jetzt noch offen für andere Religionen ist, wird als naiver Gutmensch belächelt», sagt die Muslimin Amira Hafner-Al Jabaji, Präsidentin des Interreligiösen Think-Tank.


«In Kreisen, in denen Offenheit besteht, hat der Anschlag keine negativen Auswirkungen», ist Amira Hafner- Al Jabaji, Präsidentin des Interreligiösen Think-Tank und praktizierende Muslimin, überzeugt. In ihrem Think-Tank, in dem sich christliche, jüdische und muslimische Frauen interreligiös austauschen, erlebt sie dies. Die Empathie füreinander sei «hoch ausgebildet», sagt Hafner. Christliche Frauen, denen die Verfolgung der Christen im Nahen Osten nahe gehe, verständen nun die Gefühle der Unsicherheit der muslimischen Frauen sehr gut. Und die jüdischen Frauen reagierten besonders auf die diffamierenden Äusserungen gegen Muslime, kennten sie Ähnliches doch bereits von antisemtischen Wortmeldungen her.

«Naive Gutmenschen»
Hafner und der Think-Tank befürchten aber, das Attentat werde zu einer «weitere schweren Belastung für die Beziehungen zwischen  Muslimen und Nicht-Muslimen in unseren westlichen Gesellschaften», wie es in der Stellungnahme heisst. «Wir sind in Sorge, dass die wachsende antimuslimische Stimmung in weiten Teilen Europas und auch in der Schweiz durch dieses Attentat verstärkt werden wird», schreiben sie weiter. Der interreligiöse Dialog habe momentan einen schweren Stand, ist Hafner überzeugt. Das zeigten die antimuslimischen Äusserungen und Demonstrationen in der Schweiz und den umliegenden Ländern, aber auch die Diskussionen in den sozialen Medien. «Leute, die Offenheit gegenüber andern Religionen zeigen, werden dort oft belächelt als naive Gutmenschen», hat sie festgestellt. Dennoch will sich der Think-Tank weiterhin für einen «fairen, konstruktiven und gewaltfreien Umgang zwischen Menschen verschiedener Weltanschauungen einsetzen».

«Nicht aufgeben»
Auch Mustafa Memeti, Imam des Muslimischen Vereins Bern im Haus der Religionen, befürchtet, dass die Schreckenstat die Vorbehalte und Reserven gegenüber Muslimen verstärken könnte. Doch negative Auswirkungen auf den Dialog der Religionen sieht er keine. Vielmehr meint er beschwörend: «Wir müssen diese schwierige Situation überwinden, wir dürfen nicht aufgeben.» Das kommende Freitagsgebet biete eine gute Gelegenheit, darüber zu sprechen. Er erhofft sich, dass die Imame deutlich Stellung nehmen und den kriminellen Akt verurteilen. Bischof Morerod, zuständig in der Schweizer Bischofkonferenz für den interreligiösen Dialog, findet, man müsse die Menschen besser unterrichten, damit sie andere Religionen besser verstünden. Denn mangelnde und allzu vereinfachende Information könne Menschen dazu verleiten, fanatisch zu werden.

Regula Pfeifer/kath.ch/Jürg Meienberg

Interreligiöser Think-Tank
Der Interreligiöse Think-Tank ist ein institutionell unabhängiger Zusammenschluss von Exponentinnen des interreligiösen Dialogs in der Schweiz, die gemeinsam ihre Dialogpraxis reflektieren, gesellschaftliche und religionspolitische Fragen diskutieren und ihre Erkenntnisse und ihr interreligiöses Know-how der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Infos: www.interrelthinktank.ch