
Die schwedischen Birgittaschwester Katharina zu Besuch in Herzogenbuchsee. Foto: Ruben Sprich
Nonne über das Klosterleben: «Es braucht Sozialkompetenz»
Ein Klischee über Nonnen lautet: Vom echten Leben wissen sie wenig. Ein Treffen mit zwei Birgittaschwestern in Herzogenbuchsee zeigt, dass sie mitten im Leben stehen.
Elisabeth Zschiedrich
Die Birgittaschwestern verreisen nicht oft. Einmal im Jahr machen sie einen Ausflug. Alle vier Jahre dürfen sie ihre Familien besuchen. Ansonsten leben sie im Kloster im südschwedischen Vadstena am Vätternsee. Jetzt aber steht Schwester Katharina in der Herz-Jesu-Kirche in Herzogenbuchsee am Altar und lacht.
Der Pastoralraum Oberaargau hat sie und ihre Mitschwester Monika eingeladen. Eine jahrelange Freundschaft und Unterstützung verbindet das Kloster und den Pastoralraum. 35 Personen sind gekommen, um mit den beiden Birgittaschwestern eine Vesper zu feiern.

Krone der Freude
Eine Frage werde ihr häufig gestellt, sagt Schwester Katharina in ihrer Predigt. Was das auf ihrem Kopf da eigentlich sei, ein Fahrradhelm oder ein Landeplatz für den Heiligen Geist? Vermutungen gebe es viele. Daher erklärt sie es lieber gleich. Die zwei weissen Bänder mit den fünf roten Punkten über ihrem Schleier stellen ein Kreuz dar – und auch eine Krone.
Jede Birgittin bekommt sie, wenn sie die ewigen Gelübde abgelegt hat. Die Krone soll sie daran erinnern, dass sie wie alle Christinnen und Christen bereits erlöst sind. Der Birgittenorden heisst auch Erlöserorden. «Wir tragen das Kreuz als Krone der Freude», sagt Schwester Katharina, und das sieht man ihr auch an.
Schweizerisch-schwedisches Buffet
Nach der Vesper, beim Zusammensein im Pfarreizentrum, mischen sich die Schwestern unter die Leute, erzählen, hören zu und teilen Geschichten aus ihrem Leben und ihrem Alltag. Es gibt ein Buffet, drei Gänge, schweizerisch-schwedisch.
Bernadette Bader, Leitungsassistentin im Pastoralraum Oberaargau, kennt die Schwestern schon seit 2013, ihre Tochter war sechs Monate lang Volontärin in deren Gästehaus. Seitdem haben die Baders die Schwestern schon viele Male in Schweden besucht. Toll sei es dort, der See wunderschön, beeindruckend der Alltag im Kloster.

Frömmigkeit ganz anders leben
Acht Schwestern leben zurzeit im Kloster Vadstena. Erst vor Kurzem ist eine dazugekommen. Die Frauen sind zwischen 57 und 94 Jahren alt, Schwester Katharina ist die jüngste. Sie ist seit 20 Jahren im Orden. Die gebürtige Deutsche kam als Ärztin nach Schweden. Nonne zu werden, war zuerst nicht ihr Plan. Katharina zog ins Gästehaus des Klosters, um Schwedisch zu lernen.
Die Gemeinschaft der Schwestern, ihre Herzlichkeit und ihr Leben als Nonnen in der Diaspora haben sie beeindruckt. «Ich habe gemerkt, hier kann ich meine Frömmigkeit leben», sagt sie. «Neben dem Arztberuf ging das für mich nicht, jedenfalls nicht in der gleichen Weise.» Also hängte sie ihren Beruf an den Nagel. Fünf Mal am Tag steht sie seitdem mit ihren Mitschwestern zum Gebet in der Kirche.
Eine Frau als Chefin
Der Birgittenorden ist kontemplativ, das heisst, die Hauptaufgabe der Schwestern ist das Beten. So hat es ihre Ordensgründerin, die heilige Birgitta von Schweden, vor fast 670 Jahren vorgeschrieben.
Bis zur Reformation im 16. Jahrhundert gab es in Vadstena neben den Nonnen auch Mönche. Beide lebten räumlich strikt voneinander getrennt, die Nonnen waren für das Innere, die Mönche für das Äussere zuständig. Die Chefin von allen aber war seit jeher eine Frau. Die Äbtissin hatte das Sagen, auch über die Männer. Das war besonders in der katholischen Kirche.
Während der Reformation wurden die Klöster in Schweden aufgelöst. Als das Kloster in Vadstena 1935 wiedereröffnet wurde, zogen dort nur noch Frauen ein. Die Struktur der Nonnen und Mönche unter weiblicher Führung ist heute Teil ihrer Geschichte.

Viele Sinnsuchende
«Nachdem die Männer verschwunden waren, mussten wir auch ihre Aufgaben übernehmen», sagt Schwester Monika. Heute kümmern sich die Frauen unter anderem um das Gästehaus des Klosters, sie verkaufen selbst gemachte Marmelade im Klosterladen und bieten Besinnungswochenenden an.
Die Nachfrage danach ist gross. Es gibt viele Sinnsuchende, auch oder gerade im säkularen Schweden. Vor allem Frauen mittleren und reiferen Alters kommen zu ihnen. Auch Pilgernde und Tourist:innen gibt es viele in Vadstena.
Das Kloster hier ist das Gründungshaus des Ordens, der sich im Mittelalter über ganz Europa verbreitete. Die alte Klosterkirche ist eine bekannte Sehenswürdigkeit. Um die Besucherinnen und Besucher kümmert sich ein eigenes Zentrum, es kommen zu viele für acht Schwestern, 400'000 sind es im Jahr.
Birgitta und Maria
Die heilige Birgitta (1303–1373) fasziniert noch immer. Bekannt ist sie vor allem für ihre himmlischen Offenbarungen. Von ihrem Beichtvater aufgeschrieben, beeinflussten sie sowohl die Frömmigkeit als auch die bildende Kunst. Besonders gilt dies für Birgittas Vision der Geburt Jesu.
Birgitta sah Maria barfuss kniend vor dem neugeborenen Kind, die Haare offen über den Schultern. Nicht, wie bis ins 14. Jahrhundert üblich, als Wöchnerin im Bett. Dieses Bild wurde in der Kunst vielfach übernommen.
Maria spielte für Birgitta überhaupt eine wichtige Rolle. Deshalb beten die Birgittaschwestern auch heute noch das Stundengebet aus der Sicht Marias, ihre ganze Frömmigkeit ist geprägt durch den marianischen Blick.

Visionen und klare Worte
Die Ordensgründerin folgte aber nicht nur ihren frommen, sondern auch ihren weltlichen Visionen. Birgitta setzte sich für Reformen der Kirche und für zahlreiche politische Anliegen ein. Mehrfach versuchte sie, im Hundertjährigen Krieg (1337– 1453) zwischen England und Frankreich zu vermitteln.
Sie prangerte die finanziellen Machenschaften der Kurie an und engagierte sich für die Rückkehr des Papstes von Avignon nach Rom. Birgitta war zwar nie selbst Ordensfrau, hatte aber viele andere Rollen. Sie war Adlige am Königshof, Mutter von acht Kindern und Pilgerin. «Birgitta hat ohne Scheu ihre Frau gestanden und sich überall eingemischt, das beeindruckt mich», sagt Schwester Katharina.
Keine Flucht vor der Welt
Das Leben im Kloster habe nichts mit einer Flucht vor der Welt zu tun, auch wenn die Menschen das manchmal meinten. «Wer im Kloster lebt, braucht eine hohe Sozialkompetenz, das merken wir immer wieder. Und die erlernt man nur in der Welt.» Mal aus dem Kloster herauszukommen, tue ab und zu schon gut, sagt Schwester Monika. Gemeinsam etwas anderes zu erleben als den Alltag, sei wichtig.
Nach ihrem Besuch in Herzogenbuchsee wollen die beiden Frauen die Schweiz kennenlernen, im Schnelldurchlauf. Schokoladenmuseum, Käserei, Emmental und Greyerzerland stehen auf dem Programm, in Einsiedeln waren sie schon. Dann fliegen sie wieder zurück in den Norden, ein kleines Stück Welt nehmen sie mit. Und auch im Pastoralraum Oberaargau wird ihr Besuch in Erinnerung bleiben.
Interview mit Sr. Katharina
«Was ist ein Klischee über Nonnen, das nicht stimmt?»
«Dass wir ins Kloster eingetreten sind, weil wir keinen Mann abgekriegt haben.»
Schwester Katharina ist um keine Antwort verlegen. Das ganze Interview mit der schlagfertigen Nonne sehen Sie hier auf TikTok.
Reinschauen lohnt sich!