Jesus-Ikone in der rumänisch-orthodoxen Kirche in Bern. Foto: Pia Neuenschwander
Orthodoxe Kirche, die –
Damit aus einer vagen Ahnung etwas mehr Wissen wird!
Der *die Schweizer Kirchgänger*in hat von den orthodoxen Kirchen verständlicherweise nur eine vage Ahnung. Dass es mehr als deren eine gibt vielleicht, und dass ein orthodoxer Gottesdienst vor allem aus Gesängen besteht.
Tatsächlich aber gibt es zahllose orthodoxen Kirchen, mit zahllosen unterschiedlichen Riten und Traditionen. Aber Moment – wieso spricht man bloss von «orthodoxen Kirchen», wenn sie doch so verschieden sind?
«Orthodoxie» stammt aus dem Griechischen und bedeutet «Rechtgläubigkeit». Damit ist angedeutet, was die Orthodoxen für sich in Anspruch nehmen (genauso wie alle anderen christlichen Strömungen): Dass sie die wahre Lehre Christi bis heute konserviert haben.
Der Zusammenschluss der orthodoxen Strömungen ist eine vor allem osteuropäische Angelegenheit, darum Ostkirchen genannt. Russisch-orthodox, georgisch-orthodox, serbisch-orthodox – sie alle haben sich von der Westkirche getrennt, und zwar im Rahmen des Grossen Kirchenschismas um die Jahrtausendwende.
Gründe für die Spaltung? Dogmatik, genauso wie Politik.
Merkmal aller orthodoxen Kirchen sind ihre regionalen Unterschiede. Die Strömungen sind zahllos. Jedoch ist den Orthodoxen wichtig, dass sie nicht einfach als Konfessionen schubladisiert werden. Jede orthodoxe Teilkirche versteht sich eigentlich genau nicht als «Teil» der Kirche. Jesus selbst könne ja auch nicht auf «Teile» reduziert werden. Vielmehr repräsentiere jede lokale Kirche einen Ausdruck, einen Aspekt der einen ganzen Kirche.
Die Einheit tut dem individuellen Charakter der regionalen Kirchen keinen Abbruch, im Gegenteil. Lokale Sprachen, Bräuche, Glaubensinhalte werden in der Kirche gelebt. Eine solche Überzeugung vom eigenen Glauben scheint hierzulande manchmal fremd. Trotz kräftiger Anläufe in der Vergangenheit, eine katholische Kirche Schweiz mit deutlichem Charakter zu finden: Die Schweizer Bischöfe trauen sich heute nicht mehr, den Realitäten in unseren Gefilden ins Auge zu blicken – und Schlüsse daraus zu ziehen. Rechtgläubigkeit scheint manchmal wichtiger als Pragmatismus.
Sebastian Schafer