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päpstliche Unfehlbarkeit, die –
Ein Dogma und sein Geltungsbereich, erläutert von Sebastian Schafer
Eines der bekanntesten und charakterbildendsten Dogmen der katholischen Kirche ist das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes. Kontrovers diskutiert und kritisch hinterfragt, ist es eine umstrittene Glaubensaussage: Der Papst ist unter bestimmten Bedingungen unfehlbar. Aber heisst das: alles, was Franziskus sagt, ist per definitionem wahr und richtig?
Natürlich nicht – immer Recht zu haben, wäre sogar vom Papst zu viel verlangt. Jedoch kommt ihm als oberster Lehrer des Glaubens eine gewisse Funktion als «Sprachrohr Gottes» zu. Die Bibel ist zwar von Menschen verfasst, ist aber unfehlbares Wort Gottes. Eine solche Offenbarung kann auch heute noch unter spezifischen Bedingungen stattfinden. Das funktioniert folgendermassen: Wenn ein Papst schreibt, dann ist das Resultat nie einfach nur Schriftstück – schliesslich hat der Nachfolger Petri immer eine Lehrfunktion inne. Der Heilige Vater kann, bildlich gesprochen, auf seinem Heiligen Stuhl sitzend lehren, ex cathedra also, lat. «vom Katheder herab» und ergo unfehlbar. Das geschieht mit der Formel «definimus» et declaramus sowie einer darauffolgenden Glaubensaussage. Die darf überdies nicht im Widerspruch zur Bibel oder zur katholischen Glaubenstradition stehen – ein Papst kann also nicht wahllos Dinge zu Dogmen erklären, die dann geglaubt werden müssten.
Er kann aber auch durch seine «disziplinarische Lehrautorität» verlautbaren lassen – was nichts anderes heisst, als dass er sich auch mal irren kann. In Briefen nämlich, die im Kreis herumgehen (einer epistula encyclica, aus dem Altgriechischen enkýklios, «was im Kreis herumgeht» und Epistol, «Brief»). Solche Rundschreiben also können verschiedenste Themen behandeln. Ob es jetzt Liberalismus, Religionsfreiheit, Kommunismus, Nationalsozialismus, der Weltfrieden oder Machenschaften von Geheimgesellschaften sind, die dem Papst am Herzen liegen: kein Thema, über das nicht schon eine Enzyklika abgefasst worden wäre. Und die sind, Gott sei Dank, nicht immer für die absolute Wahrheit zu halten.
Sebastian Schafer