Blick vom Felsenkloster Rabban Hormizd in Alkosch auf die Niniveebene. Nordirak. Foto: kr
Papst Franziskus besucht den Irak
Trotz Corona und Sicherheitsbedenken. Ein Kommentar.
Papst Franziskus reist von Freitag bis Montag durch den Irak. Trotz der Coronapandemie und trotz massiver Sicherheitsrisiken. Er reist zunächst nach Bagdad und besucht Nadschaf. In der Ebene von Ur, einer Wiege des Religiösen, gibt es ein interreligiöses Treffen. Die Reise steht unter dem Motto «Ihr seid alles Brüder». Franziskus wird in der autonomen Region Kurdistan den christlichen Ort Karakosch besuchen, er wird nach Erbil und Mossul reisen.
Kommentar und persönliche Erinnerungen von Andreas Krummenacher
Papst Franziskus wurde für die Reise verschiedentlich kritisiert. Ich kann mich dieser Kritik nicht anschliessen. Es ist meiner Meinung nach eine wichtige Reise, zu einem entscheidenden Zeitpunkt.
Vor zwei Jahren besuchte ich zusammen mit verschiedenen Journalist*innen den Nordirak, Erbil, Mossul und die christlichen Gebiete in und um die Niniveebene. Die Begegnungen mit diesen Menschen sind mir unvergessen.
Der IS zerstörte alles
2014 überrannten die Schergen der Terrororganisation «Islamischer Staat» (IS) die Ninive-Ebene, die christlich dominierten Orte – Karakosch etwa oder Bartilla – wurden zerstört, Kirchen geplündert. Viele Menschen ermordet und Christ*innen zur Konversion gezwungen.
Wir trafen damals, organisiert vom Hilfswerk Kirche in Not, christliche Familien, die zurückgekehrt waren. Die Erzählungen waren erschütternd. Sie mussten mitten in der Nacht fliehen, zunächst in die sicheren Kurdengebiete, meist in die Hauptstadt Erbil. Dann ging es weiter in die Türkei, nach Europa oder in die USA. Sie erzählten davon, wie ihre Familien zerrissen wurden, verteilt auf die ganze Welt. Die Rückkehr ist zögerlich, doch sie findet statt.
Wir standen damals in der zerstörten Altstadt von Mossul. Der Geruch hängt mir heute noch in der Nase. Ich erinnere mich an Abuna Emmanuel Adelkloo vor dem Rohbau seiner neuen Kirche. Er schwärmte vom neuen Leben. Gestern sah ich ihn im Fernsehen. Seine Kirche steht, es gibt wieder zaghaftes Gemeindeleben.
Gemeinsamkeiten betonen
Ich erinnre mich an Sr. Nazik Matty. Eine Dominikanerin in Karakosch. Eine intelligente junge Nonne, die an die Zukunft im Irak glaubte, die vom Miteinander der Religionen und Ethnien erzählte. Der Irak ist ein Vielvölkerstaat. Es gibt sunnitische Iraker, schiitische Araber, Turkmenen, Christen, Jesiden, Schabak, und alle mit ihren Konfessionen.
Es gibt die chaldäisch-katholische Kirche, es gibt die assyrische Kirche des Ostens, die syrisch-orthodoxe Kirche, die syrisch-katholische Kirche, die armenisch-apostolische Kirche. Es gibt zahlreiche weitere Gruppierungen und auch protestantische Gemeinden. Die Mitglieder dieser Konfessionen bezeichnen sich als Aramäer, Chaldäer oder Assyrer.
Diese Namen verweisen auf einen so grossen geschichtlichen Rucksack, dass ihn kaum jemand tragen kann. Sie alle gehören hierher, das ist kein Gebiet, exklusiv für eine Volksgruppe. Das wird der Papst betonen, dafür reist er in den Irak. Daneben geht es ihm um die Stärkung, die moralische Solidarität mit den Christen.
Solidarität mit den christlichen Geschwistern
Ich erinnere mich an den chaldäisch-katholischen Erzbischof von Kirkuk und Sulaymaniyah, Yousif Thomas Mirkis. Er führte uns auf dem Gelände der Kirche Alkanisa Alhamra herum. Da gibt es Ausgrabungen zu den Grundmauern der ersten christlichen Kirche im Irak, sie datieren auf das Jahr 130 nach Christus. Das haben wir staunend zur Kenntnis genommen, in seiner historischen Dimension kaum fassen können.
Ich erinnere mich an Menschen, beispielsweise in Kirkuk, die mich umarmten und sich bei mir bedankten. Sie fühlten sich über die Aufmerksamkeit, die wir ihrer Situation schenkten, geehrt. Diese Menschen glauben, dass wir in Europa Anteil nehmen, wir sind Vorbild für sie. Das bleibt für mich nachhaltig beschämend.
Mir bleibt, über das Schicksal dieser Menschen zu berichten, über ihre Not, ihre Kraft und ihren Lebenswillen. Der Papst erinnert daran, solidarisiert sich und lenkt die Aufmerksamkeit auf Menschen am Rand. Er tut das auch ein bisschen in meinem Namen.
Die Reportage aus dem November 2018 ist immer noch aktuell. Hier finden Sie den Text und die Bildergalerie.