Papst Franziskus und Ahmad Mohammad al-Tayyeb, Gross-imam der al-Azhar Moschee und Universität in Kairo, küssen sich, nachdem sie gemeinsam ein Dokument gegen Extremismus unterzeichnet haben. Die beiden religiösen Autoritäten trafen sich an der «interreligiösen Konferenz über menschliche Geschwisterlichkeit» in Abu Dhabi am 4. Februar. Foto: Reuters/Tony Gentile
Papstbesuch in den Emiraten ist ein Meilenstein im Dialog mit Muslimen
Fazit des ersten Besuches eines Papstes auf der arabischen Halbinsel
120'000 Teilnehmer aus 100 Nationen, darunter 4000 Muslime: Die Messe, die Papst Franziskus am Dienstagmorgen in Abu Dhabi feierte, ist die praktische Seite dessen, was er am Vorabend mit dem Grossimam Ahmad al-Tayyeb in einem wegweisenden Dokument über «Menschliche Brüderlichkeit» erklärte: Geschwisterlichkeit, Pluralität und gelebter Glaube in friedlichem Miteinander der Kinder des einen Schöpfers.
Von Roland Juchem, kna / kath.ch
Dieses religiöse Dokument hat insbesondere in diesem Teil der Welt enorme politische Bedeutung. So klar, wie der Grossimam der Kairoer Al-Azhar-Universität und der Papst für Religionsfreiheit, Frauenrechte und Nachhaltigkeit werben, so deutlich, wie sie jegliche Gewalt und Extremismus im Namen Gottes, aber auch religionsfeindlichen Säkularismus und amoralischen Individualismus verurteilen, will das nicht jeder Machthaber oder traditionalistische Prediger hören. Dies nicht nur im Nahen Osten.
Tolerante Emirate
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geben sich als Förderer und Schützer von Toleranz und Dialog – auch in Abgrenzung zum grossen Nachbarn Saudi-Arabien. So haben die Emirate nicht nur kostenlos das Zayed-Sportstadion für die Papstmesse zur Verfügung gestellt. Auch für die zweitägige interreligiöse Konferenz über «Human Fraternity» scheute man weder Kosten noch Mühen und rührte kräftig die Werbetrommel für das, wie es hiess, «historische Treffen der beiden wichtigsten religiösen Führer der Welt».
«Bruder und guter Freund», so nennen sich Franziskus und al-Tayyeb gegenseitig. Der Ägypter weicht in den zwei Tagen kaum von der Seite des Papstes. Es ist ihre insgesamt fünfte Begegnung. In seiner Rede fordert al-Tayyeb, Christen müssten in der Region volle Bürgerrechte haben. Dafür erhält er ebenso Applaus wie für seine Kritik an westlichen Zerrbildern von Muslimen.
Der Papst kritisiert in seiner anschliessenden Rede scharf Krieg und Wettrüsten in der Region, lobt aber die Emirate für die Gewährung von Kultusfreiheit. Dennoch, so Franziskus: Wahre Religionsfreiheit beschränke sich «nicht nur auf die freie Ausübung der Religion, sondern sieht im anderen wirklich einen Bruder und eine Schwester (...) derselben Menschheit, denen Gott Freiheit gewährt.»
Brisante Erklärung zum Auftakt
Am Abend des ersten Tages bekommen beide den «Human Fraternity Award» überreicht, gestiftet von Abu Dhabis Herrschern, den Zayed. Während sanfte Musik und Weihrauchduft die kleine Arena vor dem Denkmal des Staatsgründers durchziehen und Papierschnipsel herabregnen, unterzeichnen das Oberhaupt der katholischen Kirche und der Vorsteher einer der wichtigsten Lehrautoritäten des sunnitischen Islam ihre gemeinsame Erklärung.
Die ist so brisant – zumindest in dieser Region –, dass ihre Veröffentlichung im Vorfeld nicht angekündigt wurde. Ihre Unterzeichnung sollte keinesfalls durch irgendeine politische Einflussnahme gefährdet werden. Gemeinsam wie auch jeweils in ihren Glaubensgemeinschaften wollen Papst und Grossimam Frieden, Dialog, Toleranz und echte Frömmigkeit fördern, jeder Instrumentalisierung von Religion für Hass und Gewalt entgegenwirken und für gleiche Rechte für alle eintreten.
Gerechtigkeit muss für alle gelten
«Eine Gerechtigkeit, die nur für Familienmitglieder, Landsleute und Gläubige desselben Glaubens gilt, ist eine hinkende Gerechtigkeit; sie ist verschleierte Ungerechtigkeit», so hatte der Papst in seiner Rede am Montagabend gewarnt. Selbst in den toleranten Emiraten geniessen Nichtmuslime zwar Kultus-, aber keine Religionsfreiheit.
Jeder Gläubige darf seine Religion ausüben, viele in offiziellen Kirchen und Tempeln, andere, mangels Platz, in angemieteten Hotelkonferenzräumen.
Mission und Seelsorge unter anderen sind verboten. Für Muslime, die ihrer Religion den Rücken kehren, gilt offiziell noch die Todesstrafe. «Sie haben viel Lobenswertes erreicht, aber das alles lässt sich noch verbessern», so liesse sich die die höfliche, aber bestimmte Bilanz des Papstes resümieren.
Zuspruch von Trost und Mut
Ging es am Montag um den interreligiösen Dialog, so galt der Dienstagvormittag den Christen im Nahen Osten. Bei der Messe mit Zehntausenden Menschen im Stadion und weiteren Zehntausenden davor spendete Franziskus den Christen in Arabien Trost, die fern ihrer Heimat leben. Er machte ihnen Mut und dankte, dass sie ihren Glauben so leben, wie es in dem am Vorabend unterzeichneten Dokument beschrieben ist.
Dies entspreche auch dem Geist der Bergpredigt, so der Papst in seiner Predigt. Anders als es die Massstäbe dieser Welt vorgäben, nach denen die Reichen, Mächtigen, Erfolgreichen selig seien und von den Massen bejubelt würden. Er fordert dazu auf, zu «dienen statt bedient zu werden». – Für die Zehntausenden Fremden, die in Arabien als Arbeiter und Bedienstete arbeiten und überall mit den grossformatigen Bildern der örtlichen Emire konfrontiert sind, hört sich das noch einmal anders an.
Christen ins Licht gerückt
Mit dem bislang grössten christlichen Gottesdienst auf arabischem Boden wurden die Christen in der islamischen Welt ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt. Mit der von Franziskus und al-Tayyeb unterzeichneten Erklärung haben die katholische Kirche und die höchste Lehrautorität des sunnitischen Islam einen Meilenstein gesetzt, hinter den Christen und Muslime nicht mehr so leicht zurückkönnen.
Applaus für Schweizer Bischof Hinder
Zum Ende der ersten Papstmesse auf der Arabischen Halbinsel hat Papst Franziskus allen Teilnehmern gedankt. Franziskus dankte auch dem katholischen Bischof für Südarabien, dem Schweizer Paul Hinder, für seine Arbeit. Hinder sprach in seinen Grussworten von einem «historischen Moment». Der Papstbesuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten sei ein Zeichen der Seelsorge des Kirchenoberhaupts für «diese Kirche aus Migranten aller Welt», so der Kapuziner. Er sagte, die Christen auf der Arabischen Halbinsel wollten ihren Glauben dort gemäss dem heiligen Franziskus leben und ihren Glauben ohne Streit bekennen. Applaus gab es, als Bischof Hinder dem Kronprinz, Muhammad bin Zayid, und der Regierung für die Ermöglichung des historischen Papstbesuchs in Abu Dhabi dankte. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten kostenlos das Zayed-Stadion für die Papstmesse zur Verfügung gestellt.
Links:
Hintergründe zum Papstbesuch, zu den Emiraten und dem christlichen Leben dort, «pfarrblatt» online, 4. Februar
Rede von Papst Franziskus an der interreligiösen Konferenz in Abu Dhabi, 4. Februar
Heilige Messe, Zayed-Sport-City-Stadion in Abu Dhabi, 5. Februar