v.l.n.r.: Gina Bylang von der Fachstelle Opferhilfe bei sexualisierter Gewalt LANTANA, Gian Paolo Driussi, Bern Korrespondent der Radiotelevisione Svizzera, Isabel Vasquez, Nationaldirektorin der Dienststelle migratio und Ruedi Heim, Leitender Priester im Pastoralraum Region Bern.

«Präventionsmassnahmen definieren und umsetzen»

Informationsveranstaltung bei der Missione Cattolica zur Missbrauchsstudie

Mitte November führte die Missione Cattolica di Lingua Italiana MCLI in Bern eine Informationsveranstaltung zur Pilotstudie «Sexueller Missbrauch im kirchlichen Umfeld» durch. Sie bot der Gemeinschaft die Möglichkeit, eigenen Gefühlen Ausdruck zu geben und Fragen zu äussern.

Von Luca D’Alessandro

Was wurde in der Vergangenheit gegen Missbrauch unternommen? Was wird heute getan und was ist in Zukunft vorgesehen? Diese Fragen standen im Zentrum der italienischsprachigen Veranstaltung, organisiert und durchgeführt von der Missione Cattolica di Lingua Italiana MCLI in Bern. Referent:innen waren Gina Bylang von der Fachstelle Opferhilfe bei sexualisierter Gewalt LANTANA, Isabel Vasquez, Nationaldirektorin der Dienststelle migratio, und Ruedi Heim, Leitender Priester im Pastoralraum Region Bern. Die Moderation übernahm Gian Paolo Driussi, Bern Korrespondent der Radiotelevisione Svizzera.

Welche Massnahmen sind nötig?

Etwa dreissig Personen fanden sich im grossen Saal der MCLI ein, folgten den Ausführungen der Referent:innen und stellten im zweiten Veranstaltungsteil ihre Fragen: Wie kam die Pilotstudie zustande und auf welchen Quellen beruhen die in der Studie publizierten Resultate? Wie geht die Kirche mit den zahlreichen Kirchenaustritten seit September um? Und welche Massnahmen sind nötig hinsichtlich Prävention?

Es sei ein Thema, das nicht ausschliesslich die Kirche betreffe, sagte Ruedi Heim, «die Kirche als moralische Instanz muss bei diesem Thema in besonderer Weise ihre Aufgaben wahrnehmen, Vertrauen schaffen, Präventionsmassnahmen definieren und umsetzen.» «Eine wichtige Massnahme ist beispielsweise das Einfordern des Strafregisterauszugs und des Sonderprivatauszugs bei der Anstellung», sagte Isabel Vasquez, «doch dies allein reicht nicht, es braucht mehr.» Sie verwies auf die Broschüre «Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht» von der Stelle «Prävention von Machtmissbrauch im Bistum Chur».

Angemessene Gestaltung emotionaler Nähe

Die Broschüre beschreibt unter anderem mögliche Formen professioneller geistlicher Begleitung oder die angemessene Gestaltung emotionaler Nähe. Sie liegt in mehreren Sprachen vor und ist somit auch Migrant:innen zugänglich. «Wir von migratio wollen insbesondere Migrantinnen und Migranten sensibilisieren, sie bei diesem Thema unterstützen und begleiten, denn sie sind in asymmetrischen Machtbeziehungen besonders vulnerabel.»

Gina Bylang fügte hinzu, der Verhaltenskodex sei für Mitarbeitende der verschiedensten Berufsgruppen im kirchlichen Umfeld relevant. «Um die Sensibilität für das Thema aufrecht zu erhalten, ist eine regelmässige Schulung unabdingbar.» Auch seien eine offene Diskussionskultur zum Thema und die Besprechbarkeit wichtig, «damit innerhalb der katholischen Kirche allgemeine Standards festgelegt und ein gemeinsames Verständnis entwickelt werden können.»

Unabhängige Meldestellen

Ruedi Heim erwähnte die Wichtigkeit von unabhängigen Meldestellen für betroffene Personen, die es im Vergleich zu anderen Ländern wie Italien in der Schweiz in mehreren Bistümern bereits gebe.

Ausserdem machte er auf das in den letzten zwei Jahren erarbeitete Präventions- und Interventionskonzept «Null Toleranz» der Katholischen Kirche Region Bern aufmerksam, das «Massnahmen zur Prävention von sexuellem und spirituellem Missbrauch sowie die Strukturen und Prozesse der Intervention» beschreibt. Darin werden jährlich alle Mitarbeitenden und Angestellten geschult.

Eine Rückmeldung aus dem Publikum nahm Bezug auf das Programm «Mein Körper gehört mir!» von Kinderschutz Schweiz. Liesse sich dieses Programm allenfalls in den religionspädagogischen und katechetischen Kontext integrieren? Eine Idee, die bei Gina Bylang Anklang findet, «denn der Parcours zeigt den Kindern unter anderem auf, wie sie zwischen guten, schlechten und komischen Berührungen unterscheiden können, dass sie sich wehren dürfen, wenn ihre Grenzen verletzt werden, und wo sie Hilfe holen können.»

 

Gespräch nachhören
Die Veranstaltung wurde auf Facebook live übertragen und kann hier nachträglich angehört werden.

Kampagne gegen Gewalt an Frauen
Am Sonntag, den 26. November 2023, weiht die Missione Cattolica di Lingua Italiana im Berner Monbijoupark eine rote Sitzbank ein – ein Symbol der weltweiten Kampagne gegen Gewalt an Frauen. Die Veranstaltung wird von Pater Antonio Grasso geleitet und findet im Anschluss an den 11-Uhr-Gottesdienst im Beisein der Stadträtin Marieke Kruit und Vertreter:innen der Europäischen Stiftung gegen Gewalt statt. Die rote Sitzbank bleibt im Park bis am 8. März 2024.

Programm «Help-me» von migratio
Die Dienststelle migratio hat das Programm «Help-me» ins Leben gerufen. Es bietet Migrant:innen die Möglichkeit, in ihrer Muttersprache eine E-Mail zu schreiben, mittwochs anzurufen und direkt mit Fachpersonen aus dem Team von migratio zu sprechen.