Ruhe bitte! Foto: Kristina Flour / Unsplash

Pssst

22.08.2018

Wie ein leichter Sprung in tiefe Wasser - Jonathan Gardy erzählt, wie er die Stille zu schätzen gelernt hat.

«Eine Woche lang nicht reden? Das könnte ich nie!» entgegnete mir eine Freundin, der ich von meinen Ferienplänen erzählt hatte: sieben Tage ignatianische Einzelexerzitien. Jeden Morgen Körperübungen, jeden Abend Gottesdienst, dazwischen vier einstündige Gebetsmeditationen – und eben alles im Schweigen, auch die Mahlzeiten.

Ich habe die Stille einst in Taizé kennengelernt. Dort stehen an den Eingängen zur Kirche freundlich lächelnde Menschen mit grossen «Silence»-Schildern in der Hand. Der Gottesdienst besteht hauptsächlich aus den bekannten mehrstimmigen Gesängen, doch kommt jedes Mal der Moment, an dem sich Schweigen ausbreitet: Hunderte, tausende Menschen halten inne, für etwa sieben Minuten – eine Zeit, die anfangs ewig zu dauern scheint.
Schon nach wenigen Tagen der Gewöhnung aber wird die Stille zu einem leichten Sprung ins tiefe Wasser, und jeder «Tauchgang» führt ein Stück weiter – dann holt einen der wieder einsetzende Gesang zu früh wieder zurück.

Nach einer Retraite kommt mir der Alltag immer besonders laut vor: die Klingeltöne, die Werbung im Bus, die schnurrenden Stimmen in der Stadt – alles Lärm, den man überhören muss, um nicht wahnsinnig zu werden. Kein Wunder, sind normale Ohren nicht auf Stille eingestellt!
Sie ist im Grunde aber ein natürlicher, bloss überlagerter Zustand und liegt jederzeit bereit: zum Eintauchen und Hinhören. Mir ist Stille bleibend kostbar. Als erfrischender Gang in die Tiefe ebenso wie als Schule des genauen Hörens – denn schliesslich wird manches Wichtige nur leise gesagt.

 

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Jonathan Gardy 27, wuchs im Ruhrgebiet auf. Im aki Bern kam zur Frankophonie eine manifeste Helvetophilie. Seit 2017 lernt und wirkt der Theologe in der Pfarrei Guthirt bei Bern.