Qualitätsmanagement
«Carte blanche» für Felix Klingenbeck
Es wird evaluiert, zertifiziert, standardisiert. Zweifellos: Eine Aufgabe soll gut wahrgenommen werden. Die Sorge um die Qualität ist im Christentum bereits in den ersten Schriften verankert. Die Evangelien enthalten schärfste Kritik an religiösen Führungskräften und betiteln diese beispielsweise als Ungläubige, Schlangenbrut, Heuchler oder blinde Narren. Es gibt biblische Ansatzpunkte für das Qualitätsmanagement in den Kirchen. Sie gelten für alle Verantwortlichen: von der Pfarreiratspräsidentin bis zum Papst, vom Gemeindeleiter bis zum Bischof, von der Katechetin bis zum Pfarrer:
1. Vorsicht Gesetze! Gesetze und Regeln sind für die Menschen da. Sie müssen den Menschen dienen. Tun sie es nicht, sind sie zu ändern. Wer ein Gesetz aufstellt, hat zu überlegen, welche Folgen dieses für die Menschen, insbesondere für die schwächsten, hat. Es geht nicht, Lasten andern aufzubürden und selber nichts zur Lösung beizutragen.
2. Vorsicht Macht! Dass die einen die andern unterdrücken, kommt in allen Lebensbereichen vor. "Bei euch soll es nicht so sein" - mahnen die Evangelien. Ein verantworteter Umgang mit der Macht (Mitbestimmung, Transparenz, Gewaltentrennung, Gleichberechtigung) ist kirchlichen Führungskräften aller Ebenen aufgetragen.
3. Vorsicht Titel! Auf die Anrede "guter Meister " lässt das Lukasevangelium Jesus antworten, dass niemand gut sei ausser Gott. Und das Matthäusevangelium legt Jesus die Worte in den Mund, dass niemand auf Erden sich den Titel "Vater" zulegen soll, denn er stehe nur Gott zu. In Anbetracht der gleichen Würde aller Menschen sind Ehrentitel zu hinterfragen.
4. Vorsicht Gottesrede! Nicht das Glaubensbekenntnis, nicht die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder zu einem Volk sind Gradmesser für die Gottverbundenheit. Vielmehr sind es das Handeln, das Verhalten den Menschen gegenüber und der Umgang mit dem Geld.
5. Vorsicht Denkmäler! Es ist leicht, mutige Denkerinnen und unerschrockene Kritiker vergangener Zeiten auf den Sockel zu hieven. Die heilige Schrift warnt davor. Wenn in den Kirchen vergangene Zeiten glorifiziert werden, steigt die Gefahr, die kritischen Stimmen der Gegenwart zu überhören.
Qualitätsmanagement in der Kirche ist in den Evangelien angelegt. Griffige Qualitätsstandards sind Bestandteil der Botschaft selber. Selbstkritik ist ein Grundauftrag an alle, die sich kirchlich engagieren. Qualitätsmanagement ist kein modernes Steckenpferd, sondern Teil der Botschaft selbst.
Felix Klingenbeck, Pfarreileiter in der Pfarrei St. Johannes, Münsingen. Autorenportraits