Der Zugang zu den Archiven sei im Kanton Bern gewährt, so die Berner Regierung. Im Bild: Archiv des Bistums Basel mit Archivar Rolf Fäs. Foto: José R. Martinez

Regierungsrat stärkt katholischer Kirche den Rücken

Für die Sistierung von Beiträgen gibt es keine Rechtsgrundlage

Die röm.-kath. Kirche soll vorläufig vom Kanton kein Geld mehr bekommen. Das die Forderung eines Vorstosses im bernischen Grossen Rat vom vergangenen September. Hintergrund ist die Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch in der Kirche. Der Regierungsrat nimmt nun Stellung zum Anliegen.

von Andreas Krummenacher

Zwei Vorstösse wurden im September 2023, kurz nach Erscheinen der Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch in der Kirche im Berner Grossen Rat eingereicht (das «pfarrblatt» berichtete). Der Grünliberale Tobias Vögeli etwa forderte eine Sistierung sämtlicher Zahlungen an die röm.-kath. Kirche. Es sollten keine neuen Leistungsverträge mehr abgeschlossen werden, die Kirche müsse ein umfassendes Präventionskonzept vorlegen.

Die Freisinnige Claudine Esseiva verlangte in ihrer Motion eine Leumundsprüfung aller kirchlichen Angestellten, eine Sensibilisierung zum Thema Missbrauch während der Ausbildung, einen entsprechenden Kurs an der Universität Bern und eine von den bernischen Kirchgemeinden unabhängige Aufklärung zum Thema.

Tobias Vögeli sagte damals gegenüber dem «pfarrblatt», man müsse bei der Kirche genau hinschauen, die Situation mit den Missbräuchen sei dramatisch. «Wir hätten bei einer anderen Institution die Auszahlung von Steuergeldern schon längst auf Eis gelegt». Er ergänzte aber auch, er stelle die Kirche nicht grundsätzlich in Frage, «vor allem nicht die Arbeit, die an der Basis geleistet wird.»

Gesetzesänderung wäre nötig

In seiner Antwort verurteilt der Regierungsrat des Kantons Bern sämtliche Formen von Gewalt und Missbrauch, die sich in den vergangenen Jahrzehnten im Umfeld der röm.-kath. Kirche ereignet hätten. Das Ausmass der in der Pilotstudie aufgedeckten Fälle mache betroffen. Für die geforderte Sistierung von Beiträgen an die römisch-katholische Kirche gebe es jedoch keine Rechtsgrundlage: Der Kanton Bern richtet den Landeskirchen je einen Beitrag zur Begleichung der Löhne und für Leistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse aus.

Hintergrund sind die sogenannten historischen Rechtstitel, vor Jahrhunderten konfiszierter Besitz der Kirchen durch den Kanton. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung, die Löhne der Pfarrpersonen zu bezahlen. Alle anerkannten Konfessionen und Religionsgemeinschaften müssen hier gleichbehandelt werden. Die Grundlage dafür bildet das Bernische Gesetz über die Landeskirchen. Leistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse sind Angebote in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur. Eine mögliche Sistierung ist im Gesetz nirgends als Möglichkeit festgehalten.

Massnahmen umgesetzt

Der Regierungsrat betont weiter, die röm.-kath. Kirche habe zur umfassenden Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bereits verschiedene Massnahmen ergriffen: Die nationalen Gremien der Schweizerischen Bischofskonferenz und der römisch-katholischen Zentralkonferenz (Landeskirchen) hätten beschlossen, die Studie fortzusetzen und zu vertiefen. Die Verantwortlichen hätten sich verpflichtet, die Archive zugänglich zu machen und keine Dokumente zu vernichten. Der Zugang auch im Kanton Bern zu den Archiven in den Kirchgemeinden sei gewährleistet.

Ausserdem gebe es zur Behandlung von Missbrauchsfällen im Bistum Basel eine unabhängige juristische Vertrauensperson. Sie nimmt Meldungen entgegen und meldet sämtliche an sie gerichteten strafrechtlich relevanten Fälle den weltlichen Strafverfolgungsbehörden. Die kirchenrechtlichen Voruntersuchungen sowie die Prüfung der Genugtuungsanträge sei schliesslich an eine unabhängige Anwaltskanzlei ausgelagert worden.

Es gebe bereits verpflichtende Sensibilisierungskurse für alle Mitarbeitenden, eine sorgfältige Leumundsprüfung bei der Anstellung und ein psychologisches Abklärungsverfahren in der Ausbildung von Geistlichen. «Seit 2020 ist zudem eine unabhängige Fachperson als Präventionsbeauftragte im Bistum tätig, die für die Umsetzung der Präventionsmassnahmen zuständig ist,» so der Regierungsrat weiter. Die röm.-kath. Prüfungskommission des Kantons Bern werde zukünftig kontrollieren, ob die im Kanton Bern angestellten Seelsorgenden die vom Bistum Basel regelmässig durchgeführten obligatorischen Präventionskurse absolviert hätten.

Zum Schluss, «auch wenn die getroffenen Massnahmen das immense Leid nicht wieder gut machen können, geht der Regierungsrat davon aus, dass sie geeignet sind, künftige Übergriffe möglichst zu verhindern.» Die Motionen Vögeli und Esseiva seien aus diesen Gründen abzulehnen. Der Grosse Rat wird die Geschäfte in der Frühlingssession Anfang März beraten.

 

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