Park Jungja, Mutter von zwei kleinen Kindern, wird in einer öffentlichen Demonstration als Sünderin gebrandmarkt und zur Hölle geschickt. Screenshot Netflix
Religion und Popkultur: Netflix-Serie «Hellbound»
Demonstrationen, Militärpräsenz, nächtliches Chaos: Am 4. Dezember 2024 rief der – derweil suspendierte – südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht aus. Die Netflix-Serie «Hellbound» hat diese Bilder vorweggenommen. Es geht darin um Angst, Sünde, religiösen Fanatismus − und die Suche nach Sinn.
Charles Martig*
«Hellbound» heisst so viel wie «für die Hölle bestimmt». Aber gibt es diese Bestimmung heute noch? Wer glaubt noch an die veraltete Vorstellung der Hölle? Und wieso taucht sie in einer sehr erfolgreichen südkoreanischen Netflix-Serie auf?
Ausgangspunkt von «Hellbound» (2021–2024) ist das mysteriöse Auftauchen von wilden, monströsen Kreaturen. Sie erscheinen aus dem Nichts und töten Menschen auf brutale Weise. Sie versengen ihre Opfer mit einem gleissenden Licht.
Engel, Schuld und Sünde
Alle, die auf diese Weise sterben, werden vorab gewarnt. Überbracht wird die Warnung von «Engeln». Sie geben den Opfern ihren genauen Todeszeitpunkt bekannt. Manchmal sind es wenige Minuten. Ein anderes Mal einige Jahre. Dabei begründen sie die schmerzhafte Prozedur mit Themen wie «Schuld» und «Sünde».
Aufgrund der schockierenden Ereignisse entsteht in diesem fiktiven Südkorea eine neue extremistisch-religiöse Bewegung. Sie heisst «Neue Wahrheit» und will die Menschen bekehren. Es bildet sich eine Kaste von Priester:innen, die das Phänomen unter Kontrolle bringen wollen. Sie nehmen Einfluss auf die Gesellschaft und nutzen die Angst der Menschen vor der Hölle für ihre Zwecke.
Die Darstellung der Hölle in «Hellbound» symbolisiert mehrere Aspekte. Es geht zum einen um Gericht und Strafe.
Wobei die Frage, wer als sündig gilt, im Zentrum der Serie steht. Zusätzlich geht es um Angst. Die Hölle auf Erden repräsentiert die Ängste und Unsicherheiten der modernen Gesellschaft.
Religiöser Fanatismus
Die Serie nutzt die Darstellung der Hölle, um die Gefahren religiösen Extremismus zu kritisieren, insbesondere durch die Gruppe «Neue Wahrheit» und ihre gewaltsamen Auswüchse. Der religiöse Fanatismus führt zu einer moralischen Mehrdeutigkeit. Dass in «Hellbound» auch Unschuldige zur Hölle verurteilt werden, hinterfragt traditionelle Vorstellungen von Sünde und Bestrafung.
Die Hölle in der Netflix-Serie ist mehr als ein Ort des Schreckens – sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Ängste und moralischer Konflikte. Sie zeigt die Konsequenzen von Machtmissbrauch, religiösem Fanatismus und sozialer Ungerechtigkeit. Atmosphärisch wird die Hölle zu einer greifbaren Bedrohung: durch ihre Allgegenwärtigkeit und Brutalität. Sie durchdringt das Leben der Menschen vollständig. Dieses Bild der Hölle spricht die tiefsten Ängste an.
Die Serie hinterfragt kritisch, was Sünde eigentlich bedeutet und wer das Recht hat, darüber zu urteilen. Ein besonders erschütternder Moment tritt ein, als ein unschuldiges Baby zur Hölle verurteilt wird – ein Ereignis, das die Lehren der «Neuen Wahrheit» grundlegend in Frage stellt.
*Charles Martig, Kommunikation Landeskirche Bern, übernimmt ab 2025 die inhaltliche Leitung von www.glaubenssache-online.ch