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Replay und Liebe

05.10.2023

Kolumne aus der Inselspitalseelsorge

«Replay», also: nochmals, oder die poe­ tischste Funktion auf dem PC: «undo», auf Deutsch «zurück» – gewisse Mobil­ telefone lassen sich sogar schütteln, um eine Eingabe zu widerrufen. 
Es ist eine superagile Gegenwart, die unsere Sinne trainiert und unsere Vorstellung davon prägt, was «jetzt» bedeutet. Freundschaften, Beziehungen, Beruf, Zugehörigkeiten, vieles ist wiederhol­ bar oder korrigierbar, zweite, dritte, vierte Chancen gehören heute oft – und oft zum Glück – ins Reich des Mög­lichen.

Bisweilen aber, in der Regel selten, werden wir durch Äusseres oder Inne­res an die unverrückbare Tatsache er­innert, dass wir Menschen endlich sind. Das fühlt sich irgendwie archaisch an, wie ein eisiger Hauch aus vergangenen Zeiten. Aus Zeiten ganz ohne Replay und Undo. Aus Zeiten, an die sich die meisten von uns kaum oder nur sehr selten erinnern. Plötzlich eine schwere Krankheit oder ein schlimmer Unfall. Wir selbst sind betroffen oder ein uns naher Mensch – und alles ist anders. Das Jetzt ist plötzlich nicht mehr zu verändern oder neu zu formen, es schreitet fort, unerbittlich, nicht einmal Schütteln eröffnet neue Chancen.

Das Ende: Es naht gewiss. Das Danach gibt’s nur als Ahnung oder Glauben. Schmerz und Trauer stellen sich ein, vielleicht Verzweiflung – oft Angst.

Aber dann, ich habe es kürzlich wieder erlebt, dann legt eine Wegge­fährtin ein paar frisch ausgedruckte Fotos von früher aufs weisse Bettlaken. Oder ein Familienmitglied singt leise ein Lied, das für den Sterbenden eine grosse Bedeutung hatte. Es sind Momente, in denen das Piepsen und Ticken und Surren und Schnaufen der Apparate verblasst und ein früheres Jetzt sich im Raum ausdehnt, als sei es nie vergangen. Verblüffend, frisch, wie damals. Es rührt zu Tränen, rührt zu Schmunzeln, rührt zu Lachen. Der Mo­ment dehnt sich und vergisst fast zu vergehen. Ein bisschen Ewigkeit sickert durch.

Wie viel Leben gehört zum Sterben. Wie einmalig ist unser Erleben. Und wie viel Tröstliches liegt im gemein­samen Sich­-Erinnern, wenn Liebe mit dabei ist.

Nadja Zereik, Seelsorgerin im Inselspital

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