Bischof Felix Gmür freut sich auf den Synodalen Prozess. Foto: Fabienne Bühler
«Ringen ist etwas spezifisch Christliches»
Bischof Felix erklärt im Interview, wie man sich einmischen kann
Am 9. Oktober wird Papst Franziskus in Rom einen weltweiten Dialogprozess eröffnen, der die Bischofssynode im Oktober 2023 im Vatikan vorbereiten soll. Dabei sollen möglichst viele Gläubige mittels Umfragen zu Wort kommen. Das Bistum Basel hat heute die Kampagne dazu gestartet. Bischof Felix setzt grosse Hoffnungen in die globale, gemeinsame Wegsuche und schildert, wie sich die Katholik*innen im Bistum Basel einbringen können.
Interview: Sylvia Stam, «pfarrblatt» Bern, und Marianne Bolt, Pfarreiblatt des Kantons Zug
Welche Chance sehen Sie in dieser Synode?
Bischof Felix Gmür: Die Bischofssynode 2023 beginnt jetzt, und zwar weltweit, nicht nur in Rom. Papst Franziskus will die Synode nicht mehr als Event in Rom, sondern als Prozess gestalten: Die Chance besteht also darin, möglichst viele Leute einzubeziehen und klarzumachen: Zum synodalen Prozess gehören alle. Das ist neu.
Warum sollen die Gläubigen an dieser Umfrage teilnehmen?
Sie sollen teilnehmen, um miteinander in Dialog zu treten. Es geht nicht in erster Linie darum, dass die Leute ein Statement für den Bischof oder für den Papst abgeben, sondern dass sie aufeinander hören, die Fragen miteinander diskutieren und dann gemeinsam vorangehen. Synode heisst gemeinsames Gehen. Zum Leben als Christin und Christ gehört, dass man sich miteinander über den Glauben austauschen kann, über den Ort, den die Kirche in meinem Leben oder in der Gesellschaft und im Staat haben soll.
Wie erreichen Sie anderssprachige Menschen aus den Missionen?
Wer die Fragen auf Deutsch nicht versteht, muss sie sich übersetzen lassen. In den Missionen gibt es ja viele Zweisprachige. Das ist ein erster Schritt, aufeinander zu hören und einander zu unterstützen. Unsere Dokumente sind auf Deutsch, für den Jura gibt es eine adaptierte Fassung auf Französisch. Die römischen Dokumente sind in der Regel auf Spanisch, Englisch, Italienisch und Französisch.
Und Kirchenferne?
Jede und jeder kann sich einbringen, es braucht keine Nähe zur Pfarrei. Man muss sich lediglich für die Sache interessieren und sich zu fünft zusammentun.
Jede Person kann sich frei vier weitere Menschen suchen?
Ja. Um aufeinander hören zu können, braucht es eine Gruppe. Es sollten mindestens fünf sein, um nicht einfach Einzelmeinungen zu hören. Je grösser die Gruppe ist, desto besser, sie ist nach oben offen. Die Gruppe spürt vielleicht: Hier gab es Austausch, da war zuerst Unverständnis und dann Verständnis. Darum geht es.
Die Fünfergruppe diskutiert die Fragen und gibt ihre Antworten elektronisch ein.
Ja, es gibt jeweils pro Frage eine Gruppenantwort. Die Gruppe kann auch sagen: «Wir haben keine Einigung gefunden». Sie kann auswählen zwischen verschiedenen vorgegebenen Antworten, die nach statistischen Methoden als die wahrscheinlichsten gelten und die über Fokusgruppen im Vorfeld bestimmt werden. Bei einigen Fragen wird zusätzlich ein Textfeld zur Verfügung stehen.
Rom hat zehn Themenfelder mit Fragen vorgegeben. Können Sie diese in konkrete, für die Schweiz relevante Fragen umformulieren?
Der Auftrag lautet, die Fragen aus Rom für unsere Bistümer zu adaptieren. Bei Nummer fünf geht es um «Mitverantwortung in der Sendung», bei Nummer neun um «Unterscheiden und Entscheiden». In diesen Punkten können wir sicherlich auf spezifisch für den Schweizer Kontext wichtige Themen eingehen.
Bleibt es beim «Aufeinander-Hören»? Wann geht der Prozess ins Handeln über?
Aufeinander-Hören ist bereits Handeln. Wenn ich weiss, was mein Gegenüber findet, gehe ich mit diesen Gedanken in mich und verändere mich vielleicht, und umgekehrt. Eine Handlungsoption könnte sein, dass eine Pfarrei sagt: In unserem Gebiet gibt es so viele Marginalisierte, wir müssen diese Menschen einbinden. Handlungsoptionen sind nicht nur von Rom zur Basis, sie sind gleichzeitig von unten nach oben.
Dennoch gibt es Themen, die nur in Rom entschieden werden können, etwa die bekannten heissen Eisen: mehr Mitbestimmung von Laien, Frauenordination, Umgang mit Homosexuellen. Was ist mit solchen Themen?
Diese Themen werden in Rom entschieden. Die Grundstruktur der Kirche ist nicht in Frage gestellt. Der Papst ist der Garant der Einheit dieser Kirche. Was die ganze Welt betrifft, etwa die Frauenordination, entscheidet am Schluss der Papst. Aber Rom will eben auch hören: Ist das wirklich das Wichtigste? Betrifft das viele Leute? Und was würde das ändern? Dazu haben wir diesen Prozess.
Die abschliessende Antwort des Papstes kann ganz anders aussehen als das, was den Schweizer*innen unter den Nägeln brennt. Gibt es Signale aus Rom, dass regionale Lösungen denkbar sind?
Die Steuergruppe zum Synodalen Prozess des Bistums Basel wird die Antworten, die das Forschungsinstitut «gfs» liefert, anschauen und sich fragen: Was realisieren wir in unserem Bistum? Wo müssen wir handeln und was betrifft uns weniger? Diesen Prozess der Erneuerung innerhalb des Bistums gehen wir weiter. Wie, das werden wir nach Abschluss der Befragung anschauen.
Rom hat 2014 bei der Umfrage zu Ehe und Familie aus der Schweiz die Antwort gehört, die Gleichbehandlung von Homosexuellen sei hier ein wichtiges Thema. Passiert ist nichts. Weshalb soll ich also nun wiederum an einer Umfrage teilnehmen?
Man versucht zu differenzieren und das mit einer unterschiedlichen Optik anzuschauen. Nehmen wir ein queeres Paar, das gesegnet werden möchte. Hier gilt es, auf einem gemeinsamen Weg herauszufinden, was sie mit dem Segen genau wollen: Möchten sie eine Anerkennung durch die Kirche, durch die Gesellschaft, den Beistand Gottes? Das gilt auch für Leute, die heiraten wollen. Dieses Differenzieren haben wir ein bisschen vernachlässigt, weil wir in Kategorien von Recht und Pflicht denken. Dieser Prozess wird zeigen, wie fruchtbar das ist.
Müsste man nicht bei manchen Themen auch die Theologie neu denken und sich die Frage stellen: Ist die heutige Handhabung auch theologisch noch gerechtfertigt?
Interessant ist, dass die westliche Theologie sich ziemlich eingeschossen hat auf Gebote und Verbote. Der synodale Prozess hingegen hat nicht diese Frage im Blick, sondern er fragt eher: Hilft es, das Reich Gottes zu fördern oder nicht? Die Frage lautet nicht: Darf man? Sondern: Hilft es? Das ist es, was man einen geistlichen Prozess nennt. Dieses Ringen ist etwas spezifisch Christliches. Die Jüngerinnen und Jünger, die mit Jesus unterwegs waren, haben immer wieder gerungen. Sie haben Jesus nicht verstanden und nach Erklärungen gefragt. Er hat es erklärt, aber sie haben immer noch nicht verstanden. Dieses Ringen ist nicht in erster Linie resultat-, sondern prozessorientiert.
Sie hatten 2016 um konkrete Vorschläge gebeten, wie eine geschwisterliche Kirche aussehen könnte. Die Landeskirche Luzern hat Ihnen mit zehn Schritten geantwortet. Ihre Reaktion darauf war recht kritisch. Wie werden Sie dieses Mal mit Antworten umgehen, die Ihnen vielleicht nicht gefallen?
In diesem Fall fand ich das Vorgehen nicht gut. Es waren vor allem Forderungen an den Bischof. Ich habe wenig von diesem Ringen gemerkt. Bei einer Erneuerung der Kirche müssen sich alle bewegen. Wenn etwas geändert wird, müssen sich zuerst Personen ändern und dann muss man zusammen schauen, was man umsetzen kann. Dafür gibt es unsere diözesane Steuergruppe. Denn das bestimmt nicht einfach der Bischof oder eine einzelne kantonale Synode, sondern es sollen möglichst alle einbezogen werden. Die Anfrage geht in erster Linie an jeden und jede Einzelne selbst. Im Markus-Evangelium heisst es: «Kehrt um.» Das beginnt bei mir.
Wie müsste die Umfrage ausfallen, damit Sie sagen könnten: Wow, toll!
Wenn sich ganz viele und verschiedene Gruppen eingeben, das würde mich freuen.
Was wäre der schlimmste Fall?
Ich wäre enttäuscht, wenn sich niemand dafür interessieren würde. Dann müssen wir uns fragen: Was bedeutet das jetzt zum Beispiel für unsere Struktur? Für unsere Relevanz? Was müssen wir ändern?
Freuen Sie sich auf den Prozess?
Ich bin ganz begeistert davon! Mich freut es, dass diese Synode wirklich versucht, das Ganze als einen Prozess zu führen. Der Einbezug aller Leute ist der Königsweg der Kirche. Die Kirche hat nach diesem Dokument offensichtlich den Auftrag, alle Leute einzubeziehen. Ich erhoffe mir, dass dieser Prozess uns alle betreffen wird. Und ich bin überzeugt, dass wir Handlungsfelder sehen, die für unser Bistum oder möglicherweise für die Schweiz von Belang sind, die aber nicht unbedingt den römischen Prozess betreffen.
Die Umfrage im Bistum Basel und weltweit
Papst Franziskus hat zehn Themen mit Fragen vorgegeben, darunter die Zugehörigkeit zur Kirche, Umgang mit Minderheiten, Mitverantwortung in der Sendung, Entscheidungsprozesse und Transparenz. Im Bistum Basel können alle Interessierten Stellung nehmen. Dazu treffen sie sich in Gruppen von mindestens fünf Personen in der Zeit vom 17. Oktober bis zum 30. November. Jede Gruppe gibt ihre Antworten über wir-sind-ohr.ch auf die Umfrageplattform des Forschungsinstituts gfs.bern ein. Dieses sammelt die Antworten und wertet sie aus. Der Bericht dazu wird am 13. Januar 2022 publiziert. Nach Abschluss des synodalen Prozesses innerhalb des Bistums entscheidet die Steuergruppe unter der Leitung von Bischof Felix über den weiteren Prozess.
Für den weltweiten Prozess findet im Bistum Basel Ende Januar eine vorsynodale Versammlung statt. Diese verdichtet die Resultate und verfasst einen Schlussbericht zuhanden der Schweizer Bischofskonferenz. Diese diskutiert die Ergebnisse aller Diözesen und sendet die Eingabe der Schweiz nach Rom. Nach einem Treffen der Bischofskonferenzen nach Kontinenten beginnt im Oktober 2023 die Bischofssynode in Rom. Sie endet mit einem Schlussbericht. Auf Basis desselben verfasst der Papst ein für die Weltkirche verbindliches «Nachsynodales Schreiben».
Motivationskampagne des Bistums Basel mit allen Infos: wir-sind-ohr.ch