Politische Aktivitäten kirchlicher Angestellter gehören laut Hansruedi Spichiger in den privaten Bereich. Foto: Screenshot

Risse im Verhältnis kitten

12.05.2021

Vertreter*innen von Kirchen und Politik wollen besseren Austausch

Im Kanton Bern gibt es neu einen runden Tisch für den Austausch zwischen Kirchen und Politik. Das verrät der abtretende Präsident des Kirchgemeindeverbandes Hansruedi Spichiger an der Versammlung des Verbandes vom letzten Samstag. Das ist eine direkte Reaktion auf die Auseinandersetzung mit der Konzernverantwortungsinitiative.

Von Andreas Krummenacher

Hansruedi Spichiger hat den bernischen Kirchgemeindeverband massgeblich geprägt. An der Vereinsversammlung des Verbandes am letzten Samstag wurde er als Präsident verabschiedet («pfarrblatt» Bern berichtete). In seiner Eröffnungsrede betonte er den Leistungsausweis der Kirchen für die ganze Gesellschaft. Dieser würde leider zunehmend weniger erkannt und gewürdigt.

Mit Anerkennung und Freude habe er festgestellt, dass in der Pandemie viele Kirchgemeinden und Pfarreien Anstrengungen gemacht hätten, um den Menschen nahe zu sein. Unter erschwerten Bedingungen seien hier eindrückliche und kreative Ideen umgesetzt worden.

Risse im Verhältnis zum Kanton

Gleichzeitig habe sich im Schatten der Pandemie das Dreiecksverhältnis Staat-Kirche-Kirchgemeinde verändert. Der Staat habe sich aus der operativen Mitverantwortung weitestgehend zurückgezogen.

Dieser Staat, gemeint ist der Kanton Bern, stelle zwar die «erheblichen finanziellen Mittel noch» zur Verfügung. Lese man aber die verschiedenen Verlautbarungen und höre der zuständigen Direktion zu, dann spüre man, dass die traditionell enge Verbindung zwischen Staat und Landeskirchen zunehmend «Risse zeigt und sich nicht nur aus rechtlicher Sicht, in ein distanziertes Verhältnis wandelt», sagte Spichiger.

Problem Konzernverantwortungsinitiative

Der Rahmen der kantonalen Leistungen sei nicht mehr auf allzu lange Sicht als selbstverständlich vorausgesetzt. «Die Landeskirchen und Kirchgemeinden sind vom Wohlwollen der Politik abhängig», weil die besagten Leistungen alle sechs Jahre auf den Prüfstand gestellt würden. Ein gutes gegenseitiges Verhältnis sei darum unbedingt nötig: «Mehr als bis anhin brauchen wir Freunde und Fürsprecher in der Politik.»

Hier sprach Spichiger die Konzernverantwortungsinitiative an, über die im letzten Herbst abgestimmt worden ist. Sie wurde nur knapp verworfen und hätte Schweizer Standards punkto Menschenrechte oder Arbeitsschutz für Firmen mit Sitz in der Schweiz auf der ganzen Welt verlangt.

Die Initiative wurde stark von kirchlichen Organisationen unterstützt. Dies habe das Verhältnis zu den sonst den Kirchen gegenüber «wohlwollend eingestellten Kräften belastet». Das Risiko für Denkzettel sei nun massiv höher, so Hansruedi Spichiger: «Risiken für die Reduktion staatlicher Leistungen. Angriffe auf die Kirchensteuern juristischer Personen oder Risiken von vermehrten Kirchenaustritten.»

Runder Tisch

Man müsse Brücken schlagen, das sei das Gebot der Stunde. Er sei darum dankbar, dass die Personen in den Leitungen der drei bernischen Landeskirchen «das Problem erkannt haben und bereit sind, von konfrontativen Auseinandersetzungen in Abstimmungskämpfen überzugehen hin zum Dialog mit der Politik».

Zu diesem Zweck sei unter Mitwirkung des Kirchgemeindeverbandes ein runder Tisch geschaffen worden für den Gedankenaustausch zwischen Kirchenvertreter*innen und den Mitgliedern aller politischen Fraktionen. Grossrat Jan Gnägi (Die Mitte) habe hier massgeblich geholfen, diese neue Dialogkultur zu entwickeln.

Dieser Brückenschlag auf kantonaler Eben, so Spichiger, sei aber auch in den Kirchgemeinden nötig. Die Kontaktpflege zu den politischen Behörden und den kirchlich distanzierten Menschen sei wichtiger denn je.

Mit Blick auf die Lehren aus den Polarisierungen aus dem Abstimmungskampf vom letzten Herbst, «müssen auch die Mitarbeitenden ermahnt werden, dass politische Aktivitäten in den privaten Bereich gehören und nicht in den Rahmen und unter den Schutz ihrer Dienstaufträge», sagte Hansruedi Spichiger.