Auch konfessionslose Eltern hätten den Wunsch, die Ankunft ihres Kindes mit einem Ritual zu feiern, sagt Pfarrerin Sonja Gerber. Bild: Josh Applegate/unsplash
Rituale für Kirchenferne
Vorerst ausschliesslich reformierte Trägerschaft
In Bern bietet neu eine Agentur Rituale für Kirchenferne und Konfessionslose an. Getragen wird sie von der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn. Dass dereinst auch katholische Seelsorgende mitwirken, ist durchaus möglich.
Von Sylvia Stam
Kirchen sind Profis für Rituale am Anfang und am Ende des Lebens, ebenso bei einer Hochzeit oder bei anderen Übergängen. Dennoch suchen mehr und mehr Menschen für solche Rituale eine:n freie:n Ritualbegleiter:in. Mit einer Ritualagentur richtet sich neu auch die Reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn an «distanzierte Kirchenmitglieder und Konfessionslose», wie Sonja Gerber, Pfarrerin der Kirchgemeinde Johannes in Bern, auf Anfrage erklärt. Laut Website können auch Gläubige anderer Religion oder Konfession die Agentur in Anspruch nehmen.
Der reformierten Kirche verpflichtet
Interessierte werden bei der Wahl von Orten, Formen, Worten, Musik und Dekoration unterstützt, gleichzeitig sind die ordinierte Pfarrpersonen der Ritualagentur «den Vorschriften und den Vorgaben der Kirchenordnung der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn verpflichtet», heisst es weiter.
Obschon sich das Angebot explizit auch an Menschen anderer Konfession, also auch an Katholik:innen, richtet, gibt es keine katholischen Seelsorger:innen unter den aufgeführten Pfarrpersonen. «Es handelt sich um ein Projekt der reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern, das von der Kantonalkirche Bern-Jura-Solothurn unterstützt wird», erklärt Gerber auf Anfrage des «pfarrblatt». Die Agentur, die Ende März gestartet ist, befinde sich noch in der Erprobungsphase.
Grundsätzlich offen für katholische Seelsorgende
Gleichzeitig gibt sie zu erkennen, dass die Realisierung der Ritualagentur nicht selbstverständlich war: «Eine Idee, welche die Grenzen einer Kirchgemeinde sprengt, ist in den Strukturen unserer Institutionen noch zu wenig vorgesehen.» Da brauche es Zeit und Geduld.
Wenn von katholischer Seite Interesse an der Mitarbeit in der Ritualagentur besteht, freut sich der Verein über eine entsprechende Kontaktaufnahme. Gerber selber würde das sehr begrüssen: «Es ist gut möglich, dass das Projekt wächst und auch diverser wird.»
Schon jetzt arbeite man bei konfessions- oder religionsübergreifenden Hochzeitsfeiern mit den entsprechenden Partner:innen zusammen.
Vor allem Taufen und Hochzeiten
Bislang seien vor allem Taufen und Hochzeiten gefragt. «Vielen Eltern ist es offenbar wichtig, die Ankunft ihres Kindes mit einem Ritual zu feiern. Auch ein Willkommensritual oder eine Segnung ist möglich. Oder die Taufe. Mit der Taufe feiern wir Gottes bedingungsloses Ja zum Kind, seine Aufnahme in die Weltgemeinschaft des Christentums.» Ob das Kind nach der Taufe Mitglied der Evangelisch-Reformierten Kirche ist, könnten die Eltern entscheiden. Dies ist bei der römisch-katholischen Kirche anders, hier bedeutet das Sakrament der Taufe per Definitionem die Aufnahme in die römisch-katholische Kirche.
Reformiert-Sein bedeute auch, das kirchliche Wirken kritisch zu befragen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln, sagt Gerber. «Jesus hat den blinden Bartimäus gefragt: Was kann ich für dich tun?» Mit dieser Haltung möchten wir unterwegs sein.»
Wenn dies Räume für die Bedürfnisse von distanzierten Kirchenmitgliedern öffne, werde dies die bisherige Ritual-Praxis möglicherweise herausfordern. «Das ist gewollt und wir erachten dies nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung. Die Kirchenordnung ist nicht in Stein gemeisselt.» Innerhalb der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn gebe es eine starke Bewegung, die als Kirche anders unterwegs sein wolle und neue Arbeitsfelder suche.