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Rom zieht Grenzen bei der Leitung von Pfarreien

22.07.2020

Alte Modelle versus Reformprozesse

Am Pfarrer führt nichts vorbei: Ein Dokument der Kleruskongregation greift in den Reformprozess einiger Bistümer nördlich der Alpen ein. Alte Modelle sollen die Kirche zukunftsfest machen.

Burkhard Jürgens, cic via kath.ch

Der katholischen Kirche mangelt es vielerorts zusehends an Gläubigen, Geld und Priestern. Vor diesem Hintergrund arbeiten Bistümer wie Trier und Freiburg an Strukturreformen, um die Ortskirche für magere Zeiten zu rüsten. Mitten in diese Überlegungen stösst jetzt der Vatikan mit einem umfangreichen Schreiben zur Organisation und Leitung von Pfarreien. An den diözesanen Initiativen zieht Rom gewissermassen auf der weltkirchlichen Überholspur vorbei.

Laufende Strukturreformen im Blick

Das am Montag unangekündigt und ohne Pressekonferenz veröffentlichte Dokument stammt von der Kleruskongregation und trägt den Titel «Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche». Als Anlass nennt der Vatikan just jene Strukturreformen, die «wegen tiefgehender sozialer und kultureller Veränderungen in nicht wenigen Diözesen vorbereitet werden oder durchgeführt worden sind».

Einen weiteren Hintergrund bildet erkennbar die Forderung von Papst Franziskus, die «Evangelisierung» in die Mitte zu rücken und die Kirche mit Hilfe aller ihrer Ressourcen attraktiv und zukunftsfest zu machen. Das Handicap des Textes aus der Kleruskongregation ist dabei, dass er nicht als visionäres Leitbild verfasst ist, sondern als Instruktion, das heisst eine Art Verwaltungsanweisung auf der Grundlage geltender Rechtsnormen. Das Bild von den alten Schläuchen und dem neuen Wein drängt sich auf.

Laien einbinden, aber nur mit Priester als Hirte

Die Instruktion mahnt, eine «Klerikalisierung der Pastoral» zu überwinden. Sie zitiert auch aus dem «Brief an das pilgernde Gottesvolk in Chile», mit dem Franziskus im Mai 2018 nach dem Missbrauchsskandal eine grundlegende Erneuerung der Kirche unter Einbindung der Laien anmahnte – gegen einen «Klerikalismus», der das Wirken des Geistes im Gottesvolk «immer kontrollieren und bremsen» wolle.

Aus Sicht der Kleruskongregation, die ihr Dokument mit Billigung des Papstes veröffentlichte, bleibt allerdings die Rolle des Pfarrers unumstösslich. Er ist der «eigene Hirte der ihm übertragenen Pfarrei», und die Gemeindeleitung bleibt zwingend an das Sakrament der Priesterweihe gebunden. Die Instruktion dringt sogar darauf, dass Bezeichnungen für Aufgaben, die Laien ausüben, nicht den «wesentlichen Unterschied» zwischen Getauften und Priestern «verdunkeln».

Auf Namen wie «Leitungsteam» verzichten

Laien dürfen «auch nicht im Falle des Priestermangels» den Titel oder Funktionen eines Pfarrers annehmen. Zwar können als ausserordentliche Massnahme Nichtpriester «an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei beteiligt» werden; auf Namen wie «Leitungsteam» ist jedoch zu verzichten. Das Predigtverbot für Laien in Eucharistiefeiern wird eingeschärft, und vom Pastoralrat als Beratungsgremium ist jeder Anschein von Leitungskompetenz fernzuhalten.

In einigen Punkten stärkt die Instruktion den Stand von Pfarrern gegenüber ihren Bischöfen. So wird bei Pfarreizusammenschlüssen verlangt, dass der Bischof die Massnahme jeweils einzeln und sachlich begründet. Eine pauschale Neuordnung der Pfarreienlandschaft ist damit verworfen. Geistliche, denen eine Herabstufung oder Entpflichtung droht, können laut einem Begleitschreiben der Kleruskongregation darauf pochen, dass ihre Ansprüche «nicht mit der Berufung auf unumgängliche Reformnotwendigkeiten oder gar mit dem Verweis auf den priesterlichen Gehorsam abgetan» werden können.

Verantwortung für Finanzen allein beim Pfarrer

Priestermangel, die Finanzlage und Mitgliederschwund allein sind für den Vatikan keine zureichenden Gründe für einen Strukturrückbau. Das gilt auch vor der Frage, ob nicht mehr benötigte Kirchen umgenutzt werden sollten. Apropos wirtschaftliche Ressourcen: Eine jährliche Rechnungslegung des Vermögensverwaltungsrats wird mehr vorgeschlagen denn vorgeschrieben. Die wirtschaftliche Verantwortung für das Vermögen liegt beim Pfarrer; so etwas wie eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Gemeinde gibt es für ihn nicht.

Als Dokument der Kleruskongregation legt die Instruktion begreiflicherweise besonderes Gewicht auf die Rolle des Priesters; selbst die Abschnitte, die von Diakonen handeln, offenbaren, dass die Kongregation mit diesem Weiheamt wenig anzufangen weiss. Den Laien sind von 124 Artikeln ganze zwei gewidmet. – Aber eine Instruktion muss nicht visionär sein.


Gemeindeleitung in der Schweiz

In Schweizer Bistümern können im Unterschied zu Deutschland nicht geweihte Seelsorgerinnen und Seelsorger in Pfarreien der Gemeinde vorstehen. Sie erhalten dafür vom Ortsbischof eine ausdrückliche Beauftragung.

Je nach Grösse der Pfarrei oder des Seelsorgeraumes stehen in einem Leitungsteam sowohl Gemeindeseelsorger wie Priester miteinander im Einsatz. Diese Form der Gemeindeleitung wird vor allem in den deutschsprachigen Bistümern angewandt. Martin Spilker, kath.ch


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«Ein durch und durch klerikales Papier»


Der Münsteraner katholische Kirchenrechtler Thomas Schüller hat das neue Dokument des Vatikan zu Gemeindereformen scharf kritisiert. «Das Papier beantwortet Fragen von heute mit Antworten von gestern», sagte der Kirchenrechtler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Trier. Es handele sich um ein «durch und durch klerikales Papier». Es werde rein vom Priester her gedacht; an der tatsächlichen Lage der Bistümer und des kirchlichen Lebens in Deutschland gehe das Papier vorbei.

Schüller zufolge nimmt das Dokument ausdrücklich kritisch Bezug auf geplante und laufende Veränderungsprozesse im deutschsprachigen Raum. «Die Anweisungen schränken den Handlungsspielraum eines Ortsbischofs ein», so der Kirchenrechtler. Eine Zusammenlegung von Pfarreien werde deutlich erschwert, wenn auch nicht unmöglich. Schüller rechnet damit, dass Bistümer Reformvorhaben und Modellprojekte nun noch weniger konkret in Worte fassen, um den römischen Vorgaben nicht entgegenzustehen.

Der Vatikan veröffentlichte die Instruktion am Montag eigenem Bekunden nach als Antwort auf Strukturreformen, die «wegen tiefgehender sozialer und kultureller Veränderungen in nicht wenigen Diözesen vorbereitet werden oder durchgeführt worden sind». Das Papier stärkt die Rolle des Pfarrers; er ist der «eigene Hirte der ihm übertragenen Pfarrei», die Gemeindeleitung bleibt zwingend an das Sakrament der Priesterweihe gebunden. (kna)