Weniger Sonntagsmesse, mehr Gemeinschaft - so sieht Anna-Christina Gut die Kirche in 190 Monaten. Foto: Franz Lustenberger
«Seelsorgende arbeiten als Barkeeper»
Wo steht die Kirche in 190 Monaten?
Wo steht die Kirche in 190 Monaten? Mit dieser Frage lancierte die Schweizerische Kirchenzeitung einen Wettbewerb für 20-35-Jährige. In ihrem Siegertext erzählt Anna-Christina Gut von ihrer Vision einer Kirche in Bars und Coiffeursalons.
«In 190 Monaten gibt es kaum mehr Sonntagsgottesdienste», schreibt die Zugerin Anna-Christina Gut (26) schnörkellos. Wenig Zukunftschancen gibt sie auch der Kirchensteuer. Was hingegen weiter bestehen werde, sei die christliche Gemeinschaft.
«Menschen aus dieser Gemeinschaft begegnen in Altersheimen Einsamen, kommen in Shoppingcenter, Jugendverbänden und Bars mit Sinnsuchenden in Kontakt, in Psychiatrien hat Seelsorge einen hohen Stellenwert.» Randständige und Reiche würden eine ihnen zugewandte Kirche erfahren, eine «bedingungslose, sinnstiftende Gemeinschaft.»
Demut und Beschränkung auf das Wesentliche
Christliche Gemeinschaften, so ihre Vision, werden in 190 Monaten «den grossen Markt der Spiritualität beleben mit Demut und Beschränkung auf das Wesentliche, Rückbesinnung auf alte Rituale, fernab von kurzfristigen Trends.» Kirchgebäude, die nicht mehr gebraucht würden, «werden Hotels, Sporträume, Schulen oder Markthallen.» Umgekehrt würden Seelsorgende als Barkeeper arbeiten oder Haare schneiden.
«Die Kirche wartet nicht auf die Menschen, sie geht dorthin, wo die Menschen sind und wo sie die Kirche nicht erwarten», prognostiziert Gut. Die Kirche der Zukunft dränge sich nicht in den Mittelpunkt, sondern sei offen für die Bedürfnisse der Menschen. «Das Ziel ist nicht, die eigenen Mitgliederzahlen zu steigern, sondern bedingungslos Menschen in allen Lebenssituationen Halt und Gemeinschaft zu bieten.» So lebe sie die Botschaft des Evangeliums.
In 190 Monaten werde die Kirche den Menschen dort begegnen, «wo sie es nicht vermuten.» Viele würden zuerst gar nicht bemerken, «dass Angehörige der Kirche für sie da waren. Und das ist gut so.» (sys)
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Die Schweizerische Kirchenzeitung feiert dieses Jahr ihr 190 Jahr-Jubiläum. Sie wurde zur Zeit des Kulturkampfs als «Gegengift zum irreligiösen Gift», wie der Historiker Urban Fink in einem Beitrag zur Geschichte des Blattes in der Jubiläumsnummer schreibt. Sie versteht sich heute als Fachzeitschrift für Theologie und Seelsorge. Sie ist ausserdem das amtliche Organ der Bistümer Basel, Chur, St. Gallen, Lausanne-Genf-Freiburg und Sitten. (sys)