Pfarrer Christian Schaller im Stollen unterhalb des Hauptbahnhofs Bern. Fotos: Andreas Krummenacher
Segnung der Heiligen Barbara im RBS-Stollen
Mit einer feierlichen Messe auf der unterirdischen RBS-Baustelle wurde der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Berg- und Tunnelarbeiter, gedacht.
Der 4. Dezember ist der Tag der Heiligen Barbara. Mit einer feierlichen Messe wurde am Dienstag auf der unterirdischen Baustelle des künftigen RBS-Bahnhofs in Bern der Schutzpatronin der Bergarbeiter und Tunnelbauer gedacht.
Von Hannah Einhaus
Nackter Beton und schwarze Rohre an der Decke verraten, dass dieser fensterlose Gang nicht zum Verweilen oder Shoppen gedacht ist. Und doch befindet sich der Stollen mitten im Bahnhof Bern. Das Zugangstor befindet sich beim RBS-Bahnhof. Mit viel Phantasie lässt sich erahnen, dass man hier direkt unter den SBB-Billetautomaten und einem grösseren Take-away läuft.
Untertags hingegen passiert man einige Kabinen mit Arbeitskleidung, Werkzeug, Plänen und Helmen. Rund 30 Männer und – einschliesslich der Schreibenden – zwei Frauen haben sich bei einer unterirdischen Abzweigung versammelt.
Diskrete Zahlenangaben an den Säulen im Gang verraten, dass man sich nun direkt unter der Passage mit Plakatwänden befindet, die zum gläsernen Schanzenlift führt. Nur: Hier unten ist am Ende des Gangs kein Glaslift, sondern eine graue Betonmauer. Wie sich zeigen wird, führt die Abzweigung parallel zu den Gleisen zur Stelle unter der Schanzenpost.
Holzkiste und Tuch als Altar
Die Festgemeinde hat sich an diesem Dienstag, 4. Dezember, für die respektvolle Einweihung der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Tunnelarbeiter und Bergleute, versammelt. Die meisten der Anwesenden arbeiten hier untertags, um den neuen, unterirdischen RBS-Bahnhof zu bauen. Bevor die eigentlichen Grabungen und Bauarbeiten unter dem Bahnhof beginnen können, müssen die Fundamente der Schanzenpost zusätzlich stabilisiert werden, um dem Gewicht des künftigen Bahnhofs standzuhalten.
Christian Schaller, Pfarrer der Dreifaltigkeitskirche, wird durch die Messe führen. Unter den Gleisen begibt sich die Gesellschaft Richtung Schanzenpost. Am Ende des Tunnels stehen ein Weihnachtsbaum mit elektrischen Kerzen, ein von hinten beleuchtetes Kreuz und ein Altar, bestehend aus einer Holzkiste mit weissem Tischtuch, Kerze, Kelch, Abendmahl, Bibel – und der Statue der Heiligen Barbara.
Christian Schaller trägt inzwischen die weisse Albe und die Stola des Geistlichen und dazu wie alle anderen einen orangen Helm. Sämtliche Baumaschinen und die laute unterirdische Lüftung sind für diese Barbarafeier abgestellt. Klänge einer Klarinette und die anschliessende Stille sorgen für eine feierliche Stimmung.
«Die Heilige Barbara fordert Respekt vor der Natur»
«Die Heilige Barbara ist kein Ausdruck der Anbetung», betont Schaller in seiner Predigt, «vielmehr unterstreicht sie den Respekt der Mitarbeiter vor der Natur.» Auch wenn heute vieles unter Kontrolle sei, komme es immer wieder zu Unvorhersehbarem. Bei der Kommunion wirken die Arbeiter – viele von ihnen aus Portugal und Ex-Jugoslawien – scheu; der Bauleiter macht den ersten Schritt, um die Hostie entgegenzunehmen.
Dumpfes, fernes, gelegentliches Donnern verrät, dass weiter oben Züge ein- und ausfahren. Schaller betont die Bedeutung der Arbeiter: «Die Kornhausbrücke wurde vor rund hundert Jahren erbaut. Die Namen der damaligen Ingenieure sind heute nicht mehr bekannt, doch die Brücke steht noch.» Dasselbe werde mit diesem Bahnhof geschehen. Dankend gibt er seiner Wertschätzung gegenüber den Arbeitern Ausdruck.
Nach der Messe schliesslich begeben sich die Anwesenden zur beleuchteten Nische, in der die Heilige Barbara bleiben wird. Vorsichtig wird die Statue von den Arbeitern aufgestellt, liebevoll platziert und das Schutzgitter andächtig geschlossen.
Kaum sind alle Teilnehmer zurück am anfänglichen Treffpunkt für ein Apéro, beginnt die Lüftungsanlage lautstark zu blasen. Sie lässt erahnen, unter welchem Geräuschpegel die Arbeiter normalerweise stehen und wie aussergewöhnlich die Stille noch kurz zuvor bei der Messe war.