«Silence», USA 2016, Regie Martin Scorsese, mit Liam Neeson, Andrew Garfield, Adam Driver u. a.

«Silence» - Martin Scorceses Geschichte über Jesuiten-Missionare im Japan des 17. Jahrhunderts.

15.02.2017

Filmvorführung mit anschliessender Diskussion am 5. März

Insider wussten seit mindestens zwei Jahren, dass Martin Scorsese, einer der renommiersten zeitgenössischen Film-Regisseure, die Geschichte von Jesuiten-Missionaren, die um 1640 in Japan mit vielen anderen Christinnen und Christen das Martyrium erlitten, unter dem Titel «Silence» verfilmen will. Nun kommt das Resultat in die Kinos und überrascht.


Wie würde der asthmatische Italo-Amerikaner, der berühmt ist für seine ausgefallene Kameraführung, seine hypnotischen Soundtracks und seine beklemmende Darstellung der Gewalt, diesen religiösen Stoff in bewegte Bilder verwandeln? – Das Resultat ist tatsächlich überraschend.
Nur selten fällt einen die Gewalt so eindringlich an wie in Scorseses früheren Filmen. Auf der Tonspur geschieht kaum etwas, und erzählt wird sehr langsam und diszipliniert. Über 160 Minuten entfaltet sich eine tiefreligiöse Geschichte, die jene Menschen irritieren dürfte, welche bei Scorsese die nervösen oder paranoiden Charaktere oder die fulminanten Bilderexzesse lieben. Der Regisseur kommt auf Glaubensfragen zurück, die ihn offenbar seit Langem beschäftigen.

Überzeugungen lösen sich auf

Die beiden portugiesischen Jesuiten Sebastião Rodrigues (Andrew Garfield) und Francisco Garpe (Adam Driver) vernehmen, dass ihr verehrter Lehrer Christovão Ferreira (Liam Neeson) in Japan gefoltert wurde und dem christlichen Glaube abgeschworen habe. Sie wollen dies nicht glauben und reisen über Macao selbst nach Japan, wo sie auf verfolgte Christen stossen, welche ihren Glauben im Untergrund leben.
Eine Weile dienen sie ihnen als Priester und erleben, wie brutal diese gequält und getötet werden. Dann trennen sie sich, um Ferreira auf unterschiedlichen Wegen zu finden. Bald danach wird Rodrigues von seinem japanischen Führer Kichijiro (Yosuke Kubozuka) verraten und gefangengenommen.

Als Garpe tot ist, stellt der japanische Inquisitor (Issey Ogata) Rodrigues vor ein Dilemma: Entweder er schwört dem Glauben ab, oder etliche mitgefangene Christen werden langsam durch eine besonders furchtbare Methode zu Tode gefoltert. Auch Ferreira, der mittlerweile tatsächlich Buddhist geworden und verheiratet ist, kommt auf ihn zu und redet auf ihn ein, sich vom Christentum loszusagen. Rodrigues bricht zusammen. All seine Überzeugungen, in deren Namen er nach Japan aufgebrochen war, lösen sich auf. Gleichzeitig quält es ihn, dass er Gottes Stimme in all diesem Leid, dem seine Mitgefangenen und er ausgesetzt sind, nie vernimmt. Wenn er Christus verrät, wird nichts mehr von ihm da sein, worauf er einmal stolz war.

Grenz-Situationen und Verrat

Scorsese beschäftigt sich gerne mit Männern in existenziellen Grenz-Situationen. Sein Boxer Jake LaMotta in Raging Bull und sein Jesus in The Last Temptation of Christ drohen vollkommen zu scheitern. Beide Streifen, so der Regisseur, seien mit seinem neuen Werk sehr verwandt. Rodrigues, der Haupt-Protagonist in Silence, verkörpert ebenfalls eine Seele, die in ihrer Einsamkeit und Armut vollkommen nackt geworden ist und der sich Gott genau dann offenbart.

Herausragend in Scorseses Gesamtwerk ist auch das Motiv des Verrats unter Männern. In der Figur nun des Jesuiten Rodrigues, der sogar Christus verrät, kulminieren viele Gangster, Mafiosi und Geschäftsleute aus früheren Filmen Scorseses, die einander ans Messer geliefert haben.

Vor allem stellt «Silence» zahlreiche Fragen: Was ist wichtiger, Gott zu verraten, um fremde Leben zu retten, oder dem eigenen Glauben treu zu bleiben? Warum verhält sich Gott in all dem Leid so still? Wie reagieren heutige Japaner darauf, dass einige ihrer Vorfahren in «Silence» so gnadenlos und brutal dargestellt werden? Und welchen Sinn hatte es damals und hat es heute, Fremde zu missionieren?


Religiöses Kunstwerk

Es gab schon früher Zeiten, da standen Werke von Scorsese im Ruf, «Kassengifte» zu sein. Gut möglich, dass auch «Silence» finanziell nicht einträglich sein wird. Doch sicher ist es das mutige Zeugnis eines Künstlers, der im Alter der Welt ein inhaltlich anspruchsvolles und handwerklich meist bestechendes religiöses Kunstwerk übergibt, über das zu diskutieren sich lohnt.

Franz-Xaver Hiestand SJ

Vorführung und Diskussion
Sonntag, 5. März, 10.30, Kino Camera, Seilerstrasse 8, 3011 Bern.
Anschliessend Diskussion mit Stefanie Arnold (Verlagsleitung Filmbulletin), Basil Schweri (Filmemacher, aki-Bern, katholische Hochschulseelsorge Bern) und Franz-Xaver Hiestand SJ (aki-Zürich).
Moderation: Andreas Krummenacher («pfarrblatt» Bern).
Billett-Bestellung (für «pfarrblatt»-Leserinnen und -Leser bloss Fr. 15.– pro Person) an: info@aki-zh.ch, oder Tel. 031 327 50 50. Bitte unbedingt den Vermerk «Bern» angeben!