Das Pfarreizentrum der Pfarrei Dreifaltigkeit in Bern. Links der grosse Saal, die Rotonda. Foto: «pfarrblatt» Archiv

«So habe ich zuweilen einen sehr schönen Tag»

25.02.2020

Ein Südamerikaner und «Sans-papiers». Eine weitere Folge in der kath.ch-Serie zur Berner Dreifaltigkeitspfarrei

Fragt man Pedro, wo er wohnt, kann er keine Adresse nennen. Er lebt als «Sans-papiers» in Bern. In der Dreifaltigkeitspfarrei findet er etwas menschliche Wärme. Diese vergilt er mit seinem Einsatz für die Kirchgemeinde. Dies ist ein Beitrag in der Serie «Die Dreif und ihre Leute».

Georges Scherrer, kath.ch

Der «Dreif»-Pfarrer Christian Schaller sagt, dass in der Bundeshauptstadt um die 2000 Menschen wie Pedro als «Papierlose» auf der Strasse leben. Im Beisein des Pfarrers erzählt Pedro seine Geschichte. Seinen richtigen Namen möchte er nicht in den Medien lesen.

Pedro kam vor sechs Jahren in die Schweiz. Er schlägt sich durch. Übernachtet dort, wo er einen Platz findet, bei Freunden, auf der Parkbank oder als Untermieter in einer Wohnung. Darum sagt Pedro von sich: «Ich lebe in der Stadt.»

Der gebürtige Südamerikaner traf zufällig auf «Padre Christian». Den Weg in die Pfarrei fand er, weil er jemanden suchte, der ihm Dokumente übersetzte. Mit der Zeit fand er zum Padre. Dieser bemühte sich, Pedro Beschäftigung zu vermitteln, ohne dass er jemandem dabei die bezahlte Arbeit wegnahm, etwa einer Putzfrau oder einem Gärtner.

Kleine Arbeiten da und dort

Pedro schätzt die kleinen Arbeiten. «Mit der Zeit wurden es mehr. So hatte ich zuweilen einen sehr schönen Tag.» Pedro beschreibt einen solchen Tag.

Bevor er kath.ch Red und Antwort stand, half er in der Küche des Pfarreizentrums aus. Die «Dreif» hat auf dem Gelände viele Räumlichkeiten und dazu gehört auch die Rotonda, die für grössere Anlässe zur Verfügung steht. Pedro half mit, einen reichhaltigen Apéro für die Gäste bereitzustellen, die an dem Tag in der Rotonda ihr Treffen hatten.

Pedro ist sowohl bei den Vorbereitungsarbeiten in der Küche mit dabei wie auch nach dem Anlass: Er hilft beim Geschirrspülen und beim Aufräumen des Saales mit. Das bedeutet für ihn einen Zeitaufwand von zwei Stunden. «Mehr liegt nicht drin», sagt «Padre» Christian Schaller. Eine längere Beschäftigung würde ihn mit dem Gesetz in Konflikt bringen.

Zurück in die Stadt

Die zwei Stunden sind für Pedro bereits eine grosse Wohltat: «Für mich ist das sehr wichtig. Ich bin beschäftigt. Ich erhalte etwas Hilfe. Ich kann hier essen und trinken. Der Priester ist sehr zuvorkommend.»

Pedro wird nach dem Mittagessen das Kirchenzentrum verlassen und in die Gassen und Strassen von Bern zurückkehren, wo er sich, wie er sagt, zu beschäftigen weiss: «In der Stadt gibt es immer etwas zu tun.»

Zukunft habe er keine, sagt er weiter. Die kleinen Arbeiten in der Kirchgemeinde sind im Moment die einzigen Höhepunkte in seinem Leben. Das helfe ihm in allen Belangen. «Ich helfe etwas, habe dabei eine gute Zeit und es ist eine Bereicherung für mich.» «Padre» Christian Schaller ist es wichtig, dass Pedro jede Woche einige Stunden in der Pfarrei verbringt. Sei es, dass er nur für einen Kaffee vorbeikommt oder für eine Mahlzeit, die im Offenen Haus «La Prairie» für fünf Franken abgegeben wird.

Pedro erlebt durch die Kontakte in der «Dreif», dass er auch in der Schweiz eine «Identität» hat. Auf diese Weise erfahre er Menschlichkeit, sagt der Pfarrer und ergänzt: «Meine Aufgabe und jene der Kirche ist es, in diesen Personen den Menschen zu sehen.» Die Begegnung gebe diesen Menschen viel mehr als vieles andere. Davon ist Pfarrer Schaller überzeugt.

Etwas Menschlichkeit

Die Probleme der «Sans-papiers» kann Pfarrer Schaller nicht lösen. «Einen Pass kann ich ihm nicht geben. Aber für die Zeit, die er hier ist, kann ich ihm etwas Menschlichkeit geben.»

Für Pedro ist die Begegnung mit dem Priester jedenfalls wie «Weihnachten». An Weihnachten deckt dieser jeweils seinen Tisch für Menschen, die Hilfe brauchen und benachteiligt sind. Bevor Pedro zurück in die Küche geht, drückt er zum Abschied Christian Schaller freundschaftlich die Hand.


Eine Serie zur Berner Dreifaltigkeitspfarrei von kath.ch, eine Dienstleistung des Katholischen Medienzentrums im Auftrag der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz. Bislang erschienen:

«Warum hätte ich Angst haben sollen?»
In einer Notlage mit offenen Armen empfangen