Nähe und Distanz. Darf ich das? Wie reagiert man auf Gerüchte in der Pfarrei, dass ein Mitarbeiter jemandem zu nahe steht? Darf ich das? Foto: fotolia, joserpizarro
«Sorgsam umgehen mit Nähe und Distanz»
Ein Workshop der Katholischen Kirche Region Bern soll freiwilligen Mitarbeitenden helfen, in Begegnungen in Seelsorge und kirchlicher Arbeit den richtigen Umgang mit Nähe und Distanz zu finden.
Wo Menschen betreut, begleitet, beraten werden, gehört ein verantwortungsvoller Umgang mit Nähe und Distanz zur beruflichen Kompetenz. Ein Workshop für Freiwillige der Katholischen Kirche Region Bern, um Begegnungen verantwortlich zu gestalten.
In den vergangenen Jahren haben sich nicht nur in Sozialpädagogik und Psychotherapie fachliche Standards zu diesem Thema etabliert, sondern auch in der kirchlichen Arbeit. Menschen, die sich einer Fachperson anvertrauen oder ihr anvertraut werden, sind auf einen respektvollen und sorgsamen Umgang angewiesen. Jemandem mit unangemessener Nähe oder Distanz zu begegnen, führt zu Irritationen, zerstört Vertrauen und kann einemMenschen sogar erheblichen Schaden zufügen.
Im Bistum Basel gibt es darum Richtlinien zum Umgang mit Nähe und Distanz für SeelsorgerInnen, womit sich diese regelmässig auseinandersetzen. Überdies hat die Katholische Kirche Region Bern «Richtlinien zum Schutz bei sexueller Belästigung» erlassen, die nicht nur für Hauptamtliche, sondern auch für Freiwillige gelten.
Menschen haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse nach Nähe und Distanz. Alle haben eine eigene Lebensgeschichte, aber auch mit kulturellen Prägungen, die verschiedene Umgangsformen nahe legen. Menschliche Begegnungen können als angenehm, als «normal», oder aber als störend, bedrohlich und gar verletzend erlebt werden. Für verletzende Erfahrungen muss kein beabsichtigter sexueller Übergriff vorliegen. Dennoch verletzen sie Menschen, behindern eine positive Beziehung zur Kirche und das Vertrauen in ihre angestellten, aber auch ehrenamtlichen Mitarbeitenden.
Kirchliche Mitarbeitende haben in diesem Frühjahr durch das Dekanat in Zusammenarbeit mit dem bischöflichen Personalamt eine Weiterbildung besucht, um den Umgang mit Nähe und Distanz zu vertiefen. Da gibt es den Extremfall eines sexuellen Übergriffs durch Seelsorgende, der nicht sein darf. Aber weit weg von irgend einer Absicht, einen anderen Menschen für eigene Beziehungsoder Triebbedürfnisse zu missbrauchen, erleben Seelsorgende immer wieder Alltagssituationen, die einen sorgsamen Umgang mit Nähe und Distanz erfordern. In der Weiterbildung wurde an konkreten Fallbeispielen vertieft, welche Verhaltensweisen in anspruchsvollen Situationen hilfreich sein können. Die Teilnehmenden haben sich in einemintensiven Austausch gegenseitig unterstützt und hinterfragt, einander Impulse zur Verfügung gestellt und aufgenommen.
In der Katholischen Kirche Region Bern gibt es aber auch zahlreiche Freiwillige, die in anspruchsvollen Situationen auch einen hilfreichen Umgang mit Nähe und Distanz suchen. Sie sind zu eigenen Workshops eingeladen, um für ihre Aufgaben den verantwortlichen Umgang mit Menschen vertiefen und weiter entwickeln zu können.
Marie-Theres Beeler
Was werden die Workshops konkret vermitteln?
Die Workshops werden von der Supervisorin und Theologin MarieTheres Beeler geleitet. Was ein solcher Workshop konkret freiwillig Mitarbeitenden bringen kann, sei sehr individuell, führt sie auf Nachfrage aus. Beispielsweise könne die Achtsamkeit für Reaktionen bei Krankenbesuchen wachsen. «Man kann Impulse mitnehmen, um besser zu spüren, was für das Gegenüber wirklich hilfreich ist und nicht einfach ‹gut gemeint›. Aber es gibt auch Teilnehmende, die ermutigt wurden, sich selber gegen unangenehme Verhaltensweisen zu wehren. Dafür muss man sich das zunächst mal eingestehen dürfen», erläutert sie.
Die Richtlinien der Katholischen Kirche der Region Bern über den Schutz bei sexueller Belästigung würden «natürlich» auch thematisiert und das stosse auch auf Interesse. Im Workshop mit den Mitarbeitenden im Frühjahr habe aber die Diskussion über Dinge sehr interessiert, die nicht unbedingt strafrechtlich relevant seien, sondern einfach anspruchsvolle Situationen darstellen würden: «Kann man mit Menschen, die man regelmässig betreut, eine persönliche Freundschaft eingehen? Soll MinistrantInnen beim Anziehen geholfen werden? Wie reagiert man auf Gerüchte in der Pfarrei, dass ein Mitarbeiter jemandem zu nahe steht?»
Kursleiterin Marie-Theres Beeler ist auch Ansprechperson für sexuelle Ausbeutung im BistumBasel. Diese Arbeit umschreibt sie so: «Ich stehe zur Verfügung für Menschen, die einen Übergriff erlebt haben, sich bedroht fühlen oder einfach unangenehme Erfahrungen machen und einen Weg suchen, hilfreich damit umzugehen. Eine Kontaktnahme ist zunächst streng vertraulich, es gibt also keine Information oder Intervention gegenüber Dritten. Es sei denn, dass die ratsuchende Person dies ausdrücklich wünscht und Unterstützung braucht für eine Anzeige beim Bistum und/oder für ein strafrechtliches Verfahren.»
kr
Nähe und Distanz in der Seelsorge – Begegnungen verantwortlich gestalten, Workshops für Freiwillige
Samstag, 10. September, 10.00–12.00, Pfarrei St. Antonius, Morgenstrasse 65, Bern.
Montag, 19. September, 19.00–21.00, Paroisse catholique de langue française, Sulgeneckstrasse 13, Bern.
Anmeldung bitte bis 10 Tage vor der Veranstaltung an: silvia.jaeggi@kathbern.ch
Telefon 031 300 33 65/66
Den Flyer mit allen Details: via Ihre Pfarrei oder hier zum Download