Das diesjährige Motto an der Nacht der Religionen: «Play & Pray». Foto: Vera Rüttimann
Spielend durch die Nacht
«Play & Pray» an der Nacht der Religionen
«Play & Pray». Unter diesem Motto fand in Bern die 14. Nacht der Religionen statt. Tempeltänze, Schlangenbrot und Mani Matter als Rap – diese Nacht ging spielend, singend und tanzend über die Bühne.
Von Vera Rüttimann
Der Gott der Hindu ist vierarmig und sitzt auf einer Lotusblüte. Mit freundlichem Gesicht grüsst Ganesha Gäste. Sein Thron ist umrankt von Glitzergirlanden. Räucherstäbchen und frische Früchte für den Elefantengott verbreiten einen betörenden Duft. Gleich wird warme Milch über ihn gegossen. Im Haus der Religionen findet eine Puja-Zeremonie statt. Unter den Gästen sind diesmal auch Menschen, die hier Veranstaltungen besuchen möchten.
Egal, wer zu welchem Gott betet: Alle freuen sich, dass es endlich losgeht mit dieser Nacht. Im oberen Saal des Hindutempels bestaunt die Autorin dieses Textes den Tanz «Xochipitzahua», der der Blume Xochitl huldigt. Genossen wird auch der südindische Tempeltanz «Bharatanatyam».
Mani Matter als Rap
Viele der Besucher zieht es in den Raum der Buddhisten. An diesem Abend sitzen viele Schüler:innen auf den runden Stoffsitzen auf dem Boden. «Herz und Mond – meditieren, rappen, singen» heisst der Programmpunkt. Die Schüler singen statt Beyoncé das Lied «Der Mond ist aufgegangen». Und, mit einem besonderen Vergnügen und unterlegt mit Trommelschlägen, rappt ein Schüler Mani Matters Lied «Chue am Waldrand». Dort heisst es: «Doch wooner itz ä letschte Blick wirft uf sie Gägeschtand. Isch plötzlech o herrje d Chue nümme da» – «ä wiisse Fläck isch uf dr. Liinwand blibe.» Leere und leer werden – darum geht es auch in der Meditation.
Leuchtende Gesichter
Ob bei den Muslimen, Hindus oder Buddhisten – überall trifft man an diesem Tag auf leuchtende Gesichter. So auch am Waisenhausplatz. Gerade sind um die 50 Kinder aus Langnau da. Sie stehen vor einem mit bunten Glühlämpchen verzierten Zirkuswagen. Davor werden Teigrollen um Ruten geknetet. Dann brutzelt das «Schlangenbrot» dampfend über der offenen Feuerschale.
Die Kinder und Jugendliche sind zu Gast beim Programmpunkt «Oh mein Gott, hier wird gespielt!». Gestaltet wird er von der Fachstelle Kinder & Jugend der Katholischen Kirche Region Bern. Auf einem markierten Platz bietet die «Junge Bühne Bern – Theater kennt keine Grenzen» Spiele an. Einer der Coaches aus dem Haus der Religionen, die hier Leute begrüssen, ist Louise Graf. Begeistert sagt sie: «Auf dem Waisenhausplatz findet eine schöne Durchmischung statt. Zu uns kommen Besucher von der Nacht der Religionen und Leute, die am Bundeshaus die grosse Lightshow gesehen haben.»
Bei den «anderen» Katholiken
Jetzt geht’s zu den Christkatholiken. Deren Kirche steht an der Rathausgasse 2. Also los den langen Weg hinunter über das Kopfsteinpflaster. Die Leute sitzen bei milden Temperaturen draussen auf ihren Stühlen und trinken Bier, rauchen und lachen. Die Bars glimmen. Von irgendwo her flattert Jazz durch die Luft. Dann stehen man vor der Kirche Sankt Peter und Paul. Das christkatholische Kirchengebäude wurde 1858 bis 1864 als erste katholische Kirche der Stadt Bern errichtet. Im Innern herrscht eine ruhige, andächtige Stimmung. Nach dem Nachtgebet schildert Bischof Harald Rein und andere den Gästen, wie rege das Gemeindeleben hier ist.
One Step closer
Der Schlusspunkt dieser Nacht bildet um 23.00 eine Abschlussfeier in der Heiliggeistkirche. Unter dem Leitwort «Play und pray» wurde in den letzten Stunden gesungen, getanzt und gespielt. Angela Büchel Sladkovic zitiert in ihrer Andacht den deutsch-iranischen Schriftstellers und Publizisten Navid Kermani mit den Worten: «Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näherkommen.» Auf den nächst stehenden Menschen? Auf das Göttliche zu? Oder: Auf die Wahrheit, die immer wieder neu vor einem liegt? Angela Büchel Sladkovic räsoniert: «Die Nacht der Religionen ist eine von vielen Möglichkeiten, einen Schritt näher zu kommen.»