Unvergessen: Die Baldeggerschwester Annelis Kurman war ab 1988 die erste Kanzlerin des Bistums Basels. Foto: zVg
Sr. Annelis Kurmann: Die erste Kanzlerin des Bistums Basel
«Wenn ich mich im Tschad an eine neue Kultur und einen anderen Lebensstil gewöhnen kann, dann schaffe ich das auch in Solothurn.»
Zahllose offizielle Dokumente des Bistums Basel tragen ihre Unterschrift – von amtlichen Mitteilungen bis hin zum Protokoll der kirchenrechtlichen «Besitzergreifung» des Bistums Basel durch die Bischöfe Hansjörg Vogel und Kurt Koch. Am 15. Januar 1988 wurde die Baldegger Ordensschwester Annelis Kurmann im Alter von 40 Jahren zur ersten Kanzlerin des Bistums Basel ernannt.
Seit dem 1983 in Kraft gesetzten neuen Kirchenrecht war dieses Amt nicht mehr Priestern vorbehalten. Sr. Annelis war damit weltweit eine der ersten Kanzlerinnen einer römisch-katholischen Diözese, was einiges Aufsehen erregte. Bischof Otto Wüst bat die studierte Naturwissenschaftlerin um ihren Dienst als Kanzlerin mit dem Argument, jetzt sei die Stunde der Frauen, auch in der Bistumsleitung.
Sr. Annelis ihrerseits, die nach ihrer Arbeit als Mathematik- und Physiklehrerin am Seminar der Baldegger Schwestern zur Zeit ihrer Berufung mit dem Aufbau von Schulen für Hunderte von Kindern im bürgerkriegsgeplagten Tschad beschäftigt war, dachte: «Wenn ich mich im Tschad an eine neue Kultur und einen anderen Lebensstil gewöhnen kann, dann schaffe ich das auch in Solothurn.» In der Folge arbeitete sie mit drei Diözesanbischöfen eng und gut in der Bistumsleitung zusammen. Wichtig war dabei nicht nur ihre offizielle Funktion in der Bistumskanzlei, die sie bis 2002 ausübte.
Bedeutsam war auch, dass sie – als zunächst einzige Frau – zu einem markanten öffentlichen Gesicht des Bistums Basel wurde. Eine partnerschaftliche, schöpfungsnahe Kirche war der Ordensschwester mit franziskanischer Spiritualität seit jeher sehr wichtig. Persönlichen Rückhalt fand sie deshalb im Bewusstsein, mit anderen Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen der «ersten Stunde» in den Pfarreien, wie z.B. Cécile Eder, Maria Klemm, Maria Kellenberger und vielen mehr, gemeinsam unterwegs zu sein, vor allemaber mit der kleinen Baldegger Schwesterngemeinschaft, die damals den Solothurner Bischofshaushalt führte. Wie viele andere Frauen in Leitungsaufgaben spürte Sr. Annelis jedoch auch den Druck, ihre Aufgaben mindestens so gut auszuüben wie die Männer in ihrer Funktion vor ihr.
Ein Kompliment, das auf indirektem Weg bei ihr angekommen ist, hat sie deshalb besonders gefreut: Sogar der damalige apostolische Nuntius in der Schweiz, Erzbischof Karl-Josef Rauber, bemerkte, «das laufe gut mit dieser Frau in Solothurn». Was sich seit «ihrer» Zeit verändert hat in der kirchlichen Frauenfrage, möchte Sr. Annelis nicht abschliessend einschätzen. Sie sei froh um die Frauen (und Männer), die jetzt nach Rom unterwegs seien, sagt sie, und hat sich auch selber überlegt, eine Etappe mitzupilgern. Zugleich hofft sie inständig, dass die Frauen nicht zu sehr enttäuscht würden. Veränderungen in der Kirche bräuchten einen sehr, sehr langen Atem, meint Sr. Annelis. Gerade deshalb sei es wichtig, dass das Feuer wachgehalten werde auf dem Weg zu einer partnerschaftlichen Kirche.
Detlef Hecking
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