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Der Sensenmann reloaded: voller Kraft und mitten im Leben. Foto: iStock

Sterben lernen

31.10.2024

Editorial der aktuellen Ausgabe von Anouk Hiedl


Am Abend vor Allerheiligen hat es Hochsaison, das Knochengerüst mit dunklem Umhang, Kapuze und Sense. Er, der alle unterschiedslos dahinmäht: der Sensenmann. In romanischen Sprachgebieten ist der Tod weiblich («la mort») und so als Sensenfrau («la faucheuse») bekannt. 

Ich kann mit dieser mittelalterlichen Allegorie wenig anfangen. Für mich sind Sensen ernteversprechende und damit lebenserhaltende Werkzeuge. Wer sie schwingt, zeigt Elan und Tatendrang. Den hat auch die multinationale Schweizer Band «Šuma Čovjek». Sie besingt, was Menschen verbindet, und thematisiert in ihren Songs Wurzeln, Glaube oder Hoffnung. Hafid Derbal, einer der beiden Sänger, erzählt im Interview, warum er jetzt weiss, wo er einst begraben werden möchte. 

Denken auch Sie manchmal über Ihren Tod nach? Für Michel de Montaigne war das wichtig. Philosophieren hiess für ihn «Sterben lernen». Am Berner Stadtfestival «endlich. menschlich.» konnte man sich im Oktober damit befassen, was am Ende zählt, etwa im Haus der Religionen. Und auf dem Bremgartenfriedhof liess sich dem Tod ein enttabuisierendes Schnippchen schlagen, zum Beispiel mit Probeliegen im Sarg.

Unerwartetes zeigt mitunter, wie nah Leben und Tod beieinander stehen. 2019 erzählte mir Pater Ruedi Hüppi viel von Burundi, seiner «ersten grossen Liebe». Am 11. Oktober ist er − der letzte Berner SchönstattPater − überraschend gestorben. Oft wohnt einem Ende auch ein Neuanfang inne. Im August zerstörten Unwetterfluten Teile des 900-jährigen Brienzer Friedhofs. Kurz vor Allerseelen wurde dieser wieder eingeweiht. 

Auch wenn zum eigenen Tod viel besprochen und organisiert sein sollte, was «danach» kommt, liegt nicht in unserer Hand. Weltweit über 8 Milliarden Mal.

 Anouk Hiedl, «pfarrblatt»-Redaktorin