Judenhass eingekerbt an der Tür der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Biel. Foto: zVg/via kath.ch
Synagoge in Biel mit Hakenkreuz verunstaltet
Ein «schwerer antisemitischer Vorfall», sagen die Betroffenen.
Die Türe der Synagoge in Biel wurden von Unbekannten mit antisemitischen Parolen verunstaltet. In einer Medienmitteilung zeigen sich die Jüdische Gemeinde Biel und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund «zutiefst schockiert», es handle sich um einen «schweren antisemitischen Vorfall».
Autor: Andreas Krummenacher
Am Donnerstagmorgen, 18. Februar, sind an der Tür der Synagoge in Biel antisemitische Symbole und Parolen entdeckt worden. Ein Hakenkreuz und die Textzeilen «Sieg Heil» und «Juden Pack» wurden in die massive Holztür eingeritzt. Diese Tat stelle eine Schändung der Synagoge dar und sei ein schwerer antisemitischer Vorfall. Das teilte der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und die Jüdische Gemeinde Biel in einer Medienmitteilung mit.
Strafanzeige wird eingereicht
Ein Passant habe die Polizei informiert, eine Untersuchung sei eingeleitet worden. Laut Mitteilung liegen zurzeit keine weiteren Informationen zur Täterschaft oder den Hintergründen vor.
Die Jüdische Gemeinde Biel und der SIG schreiben weiter: «Die Einritzungen stellen eine massive Schändung der Synagoge und einen schweren antisemitischen Vorfall dar.» Die Gemeinde von Biel werde mit Unterstützung des SIG Strafanzeige einreichen.
Im Zuge des Attentats in Hanau wurde die Sicherheit in Biel kürzlich verbessert
Die Stadt am Jurasüdfuss zeichnete sich bislang auch dadurch aus, dass Antisemitismus bloss ein Randphänomen war. Zuletzt gab aber auch in Biel die Sicherheit der Synagoge im Zuge der antisemitischen Morde im deutschen Hanau zu reden. Kaum Zufall, so möchte man meinen, jähren sich das Attentat von Hanau exakt am 19. Februar. Damals ermordete ein 43 Jahre alter Mann aus rassistischen Motiven in Hanau neun Menschen; anschliessend tötete er seine Mutter und sich selbst.
Die Synagoge in Biel steht von fast allen Seiten frei zugänglich mitten in der Stadt. Vor einem Jahr wurde darum beschlossen, mit gewissen baulichen Massnahmen den Schutz zu erhöhen. 80'000 Franken kostet das. Maximal die Hälfte davon übernehmen Bund und Kanton, die Stadt steuert bloss symbolische 4000 Franken bei, den Rest übernimmt die jüdische Gemeinde Biel.
Eine wechselvolle Geschichte des jüdischen Lebens
In Biel lebten jüdische Menschen bereits im Mittelalter. Die Stadt wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch den Bischof von Basel gegründet und erhielt ihr Stadtrecht durch Rudolf von Habsburg. Vom Ausgang des Mittelalters an durften in Biel keine Jüdinnen und Juden mehr leben.
Bis 1837 zogen dann mehrere jüdische Familien aus dem Elsass nach Biel, 1844 beschloss die Bieler Stadtregierung sogar Steuererleichterungen für einwanderungswillige Uhrmacher, worauf – beispielsweise aus Lyon und Dresden – jüdische Uhrmacher mit ihren Familien in die Stadt zogen.
Die jüdische Gemeinde wurde 1848 gegründet, ein Betsaales 1858 eingeweiht. Im selben Jahr wurde den 52 in Biel wohnhaften Juden vom Regierungsrat die Erlaubnis erteilt, Gottesdienste abzuhalten. Der Regierungsstatthalter wurde angewiesen, diesen «den nötigen polizeilichen Schutz angedeihen zu lasen».
1883 wurde die heutige Synagoge eingeweiht, auch gab es nun eine Schule, ein rituelles Bad und seit 1903 einen Friedhof. 1996 wurden die jüdischen Gemeinden in Biel und Bern vom Kanton öffentlich-rechtlich anerkannt.
Der Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Bern, Michael Kohn, ist auch für Biel zuständig. Gottesdienste in der Bieler Synagoge finden regelmässig statt, es gibt 30 bis 40 aktive Gemeindemitglieder.
Aussergewöhnliche Häufung von Vorfällen
Schändungen von Synagogen seien in der Schweiz sehr selten, sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner gegenüber dem Nachrichtenportal kath.ch. «In den letzten zehn Jahren kam es zu keiner Schändung von Synagogen.» Dass es nun innerhalb weniger Wochen zu drei «sehr gravierenden» Akten gegen Synagogen und zusätzlich zu einem Störmanöver gegen eine Online-Veranstaltung gekommen sei, sei «sehr aussergewöhnlich».
Diese Häufung antisemitischer Ereignisse könne man vielleicht in einem Zusammenhang mit dem zweiten Corona-Lockdown sehen. «Die Menschen sind sehr angespannt. In Zeiten von Epidemien werden Juden schnell mal zum Sündenbock gemacht», sagt Kreutner weiter.
In der Schweiz gibt es einen jährlichen Antisemitismusbericht. Dieser listet für 2019 insgesamt 523 antisemitische Vorfälle auf, die meisten davon im Online-Bereich (485). Tätlichkeiten an Jüdinnen und Juden oder Sachbeschädigungen an jüdischen Einrichtungen wurden im Berichtsjahr keine gemeldet. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund spricht von einer «stabilen Entwicklung der Zahl physischer und verbaler antisemitischer Vorfälle».
Basler Bischof verurteilt die Tat
Auch der Basler Bischof Felix Gmür verurteilt die Tat «aufs Schärfste», wie er auf Anfrage von kath.ch mitteilte. Er sei «schockiert» über die Schändung der Bieler Synagoge. «Es ist eine Schande, dass so etwas heute noch passiert.»