Papst Franziskus will die Menschen im Amazonasgebiet vor der Gier der Welt beschützen. Foto: Vaticannews
«Typisch Franziskus»
Bischof Felix Gmür positiv und kritisch zum neuen Papstschreiben
«Typisch Franziskus», so beginnt Felix Gmür, Bischof des Bistums Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, seinen Kommentar zum neusten Papstschreiben. «Geliebtes Amazonien» nennt Papst Franziskus das nachsynodale Papier, eine Schlussfolgerung der Beratungen zur Situation des Amazonasgebietes in Südamerika. Diese Beratungen, diese Synode, fand im vergangenen Oktober in Rom statt.
Von Andreas Krummenacher
Bischof Felix Gmür hat das Papier «gerne gelesen», die Sprache sei erfrischend und flüssig. Typisch Franziskus sei, dass der Papst keine neuen Vorschriften erlasse. Die Menschen vor Ort würden besser verstehen, welche konkreten Handlung für «eine ganzheitliche Umkehr» vorzunehmen seien. Ausserdem verbinde der Papst ökologische, soziale und kulturelle Fragen und ermuntere die Kirche zu lokalem handeln.
Das Dokument sei vor allem «Ausdruck der Sorge um die Zerstörung», die in der Amazonasregion im Gang sei. Die sozialen und ökologischen Katastrophen, die sich anbahnen, würden die ganze Welt betreffen. «Amazonien betrifft uns alle!», schreibt der Bischof mit Ausrufezeichen. Er schliesst sich dem Papst an indem er dessen Sicht übernimmt, die Form des Wirtschaftens bedeute Ausbeutung, Zerstörung und würde letztlich töten.
Bischof Felix fasst in der Folge das Papier des Papstes zusammen. Leitworte seien «Umkehr» und «buen vivir», «gutes Leben». Dabei entwickle Franziskus Visionen. Diese würden einen Blick in die Zukunft eröffnen. Visionen, inspiriert von den indigenen Völkern Amazoniens, von «Menschen im Einklang mit Gottes Schöpfung, in Respekt voreinander und Verantwortung füreinander».
Für die Kirche sei der Glaube an Jesus Christus sowie das Weiterschenken seiner Liebe das tragende Fundament für jedes soziale und ökologische Engagement, so Bischof Felix. Papst Franziskus ermutige damit nicht nur die «Menschen in Amazonien, sondern uns alle, Kirche dynamisch und offen zu denken».
Bei Papst Franziskus würden dabei nicht die Ämter im Mittelpunkt stehen, sondern das «Volk Gottes», erklärt Bischof Felix. Der Papst sprenge damit die gängigen Denkmuster. «Überhaupt will der Papst der Kirche ein Gesicht geben, das nicht klerikal geprägt ist», zentral seien vielmehr die «Laien». Bischof Felix weiter: «Die Weihe von verheirateten Männern zu Priestern und die Weihe von Diakoninnen greift Franziskus nicht auf. Das hat manche, vorab in unseren Breitengraden, enttäuscht, umso mehr, als diese auch für uns wichtigen Fragen das Schlussdokument der Synode offen diskutiert und thematisiert hat.»
Er kenne den Grund für das Schweigens des Papstes in diesen Fragen nicht, könne sich aber vorstellen, «dass er das Wesen der Weihe von der Machtfrage entkoppeln will». Das fordere eine «tiefergehende Reflexion vorab über den Priester». Und dazu lasse der Papst die Tür bewusst offen.
Zur Frage der Rolle der Frau in der Kirche schreibt Bischof Felix: «Dagegen ist das sehr traditionelle Frauenbild, welches transportiert wird, befremdend. (...) Deshalb besteht hier Handlungsbedarf. Die Kirche in der Schweiz braucht ein inkulturiertes Bild von Frauen (und Männern). Das ist ein Gebot der Erkenntnis der Zeichen der Zeit.»
Zum Schluss schreibt Bischof Felix: «Bei der Ämterfrage bereitet der Papst zwar den Boden für weitere mutige Schritte. Er ruft zu mehr Mut und lokaler Mitgestaltung auf, bleibt aber in der Klärung hinter dem frischen Geist, hinter seinem eigenen visionären Anspruch zurück. Er lobt den ausgerollten Teppich des Schlussdokuments, läuft aber selber nicht darüber. Die Spannung bleibt, die Tür für Neues auch hier steht weiterhin offen. Denn der Papst redet von einer Vision, einem Traum: Traum und Vision sind nicht das Ende, sondern der Anfang eines Prozesses, dessen Resultate nicht zum vornherein feststehen.»
Lesen Sie hier den ganzen Kommentar von Bischof Felix Gmür
Lesen Sie hier die «pfarrblatt»-Berichterstattung zum päpstlichen Schreiben «Querida Amazonia»
«Die Antworten müssen wir selber geben»: Bischof Felix Gmür im Interview, SRF4 News, 13. Februar
Ebenfalls im Interview am 13. Februar war Kapuzinerbruder Willi Anderau. Er sprach in der Sendung Tagesgespräch auf SRF1. Dieser war zunächst enttäuscht, sieht aber in den aktuellen Vorgängen grosse Chancen. Mit päpstlichem Segen könnten wir aufhören, Lösungen von oben zu erwarten. Wir müssten sie selber suchen.
Aufbruch oder Dämpfer? Bruder Willi Anderau zum Papstschreiben, Radio SRF1, 13. Februar