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Verloren

10.09.2018

Gibt es eine angemessene Reaktion angesichts abgrundtiefer Verzweiflung? Simone Bühler von der Spitalseelsorge schweigt

Seit sieben Monaten hört sie den Klang ihrer eigenen Stimme nicht mehr. Aufgrund ihrer Erkrankung hat die Frau einen Atemzugang direkt in die Luftröhre. Der gesamte Rachenraum ist lahmgelegt. Ich sitze am Bett der Patientin und versuche anzusprechen, was mir entgegenkommt. Manchmal wirkt sie geduldig, trägt scheinbar gelassen, was ihr auferlegt worden ist. Dann wieder müde, erschöpft, geplagt von kräfteraubenden Hustenanfällen. Ab und zu erlebe ich sie wütend und verzweifelt.

Und dann höre ich sie zum ersten Mal sprechen. Die Behandlung nimmt einen guten Verlauf, die Wunde am Hals ist fast zu, andere Einschränkungen bleiben: Sie kann schlecht schlucken, wird künstlich ernährt. Noch etwas verwaschen kommen die Worte über ihre Lippen. Sie habe mit dem Arzt gesprochen und ihren Willen schriftlich hinterlegt, erzählt sie mir. Lieber möchte sie sterben, als einen weiteren Eingriff in diesem Ausmass zu erleiden. Da habe der Arzt sie gefragt, ob sie religiös sei. Sie schaut mich an und winkt ab: «Ich habe keinen Glauben mehr», sagt sie müde, «ich habe einen gehabt, aber den habe ich verloren». Ich frage nach. «Zu oft habe ich um Hilfe gebeten», flüstert sie «und bin nicht erhört worden». Ich schweige.

Simone Bühler, ref. Seelsorgerin

Gedanken der Spitalseelsorge im Überblick