Leitet die Fachstelle Diakonie im Pastoralraum Oberland: Elizabeth Rosario Rivas. Foto: Pia Neuenschwander

Vernetzung ist das A und O

22.01.2020

Die Fachstelle Diakonie im Pastoralraum Oberland wird definitiv eingerichtet. Eine Begegnung mit Stelleninhaberin Elizabeth Rosario Rivas.

Das Pilotprojekt Fachstelle Diakonie gibt es im Pastoralraum Bern Oberland seit 2017. Per März wird die Fachstelle definitiv eingeführt. Stelleninhaberin Elizabeth Rosario Rivas erzählt aus ihrem Alltag.


von Blanca Burri


Eine Information von Elizabeth Rosario Rivas überrascht besonders: Menschen aus der Mittelschicht holen sich bei der Sozialpädagogin ebenso Rat wie solche aus der Unterschicht. Sie erklärt: «Oft bin ich für Migrantinnen und Migranten die erste Anlaufstelle.» Meist suchen sie passende Deutschschulen, Vereine oder Kontakte, um sich in der Schweiz schneller zurecht zu finden.

Das breite Netzwerk, das sich die gebürtige Dominikanerin in den ersten drei Pilotjahren aufgebaut hat, kann sie heute voll ausnutzen. Dafür ist sie viel gereist, hat sich in Pfarreien, auf Sozialämtern und bei verschiedenen Fachstellen vorgestellt. «Bei diesen ersten Treffen gab es oft unerwartete Momente», schmunzelt die besonnene Frau, die sich in ihrer Heimat zur Psychologin ausbilden liess. «Die Leute haben sich jemand anderen vorgestellt als eine hör- und sichtbare Migrantin.» Dass sie obendrauf noch eine Frau sei, habe die Sache nicht leichter gemacht. Inzwischen hätten aber alle verstanden, dass die Fachstelle Diakonie ein Pluspunkt sei.

Mit den kirchlichen Mitarbeitenden wie mit den Sozialdiensten stehe sie im regen Austausch. «Das erleichtert die Arbeit sehr.» Zwar sei das Netzwerk nicht überall gleich engmaschig, doch Elizabeth Rosario spürt, dass sie getragen wird. Mit ihrem 60-Prozent-Pensum ist sie für sieben Pfarreien zwischen Meiringen und Gstaad zuständig. Wegen der langen Anfahrtswege und den steigenden Fallzahlen wird die Stelle im Frühling um 20 Prozent angehoben.

Braucht es diese Fachstelle?

Weil die öffentliche Sozialhilfe von Jahr zu Jahr stärker gekürzt werde, brauche es die kirchliche Diakonie immer häufiger, weiss die Fachfrau. Sie erklärt: «Die Menschen haben oftmals keine andere Möglichkeit, Hilfe zu suchen. Deshalb spielt die Diakonie eine immer entscheidendere Rolle.» Seit ihrem Stellenantritt habe sich viel verändert, meint sie. Früher habe es einen Bonus gegeben, wenn sich jemand bei der Integration besonders Mühe gegeben habe, beispielsweise, wenn er einen Deutschkurs besucht habe. Inzwischen würden alle gleichbehandelt, egal, ob sie sich anstrengten oder nicht, die meisten lebten am Existenzminimum. Zusätzlich gebe es viel Unvorhergesehenes, bei denen die Kirche helfen könne. 

Pfarrer, Sozialämter und mehr

Es gebe verschiedene Möglichkeiten, wie die Bedürftigen zu ihr gelangten, ein Szenario habe sich im Alltag besonders bewährt, erzählt Elisabeth Rosario: «Bedürftige sprechen meist den Pfarrer an.» Dieser könne mit einem offenen Ohr und seinem Rat oft helfen. Wenn nicht, verweise er seine Schützlinge an die Fachstelle. In Zusammenarbeit mit Ämtern, Stiftungen oder Schulen bemüht sich Elizabeth Rosario, Lösungen für ihre Anliegen zu suchen. Manchmal könne die Caritas oder ein anderes Hilfswerk helfen, andere Male reiche das Vermitteln eines Kontakts zu einer Fachstelle oder einer Gruppe. Und wenn es finanziell pressiert, habe die Diakonie einen Notfalltopf. Natürlich gebe es auch Härtefälle, dann stellt Elizabeth Rosario ein Gesuch an die zuständige Kirchgemeinde.

Für das Sozialamt ist Rosario inzwischen eine zuverlässige Partnerin. Sie erhält meist dann einen Anruf, wenn ihre Sprachkompetenz gefragt ist. Da sie neben der Muttersprache Spanisch auch Portugiesisch, Englisch und Deutsch spricht, fungiert sie oft als Vermittlerin – besonders in Interlaken, wo sich ihr Büro befindet und wo sie regelmässig zwei Mal die Woche anzutreffen ist. An den anderen Arbeitstagen ist sie in den sieben Pfarreien unterwegs oder besucht Klient*innen.

Die Pflanze wächst

Auf eine besondere Geschichte kommt Elizabeth Rosario Rivas mit lachendem Herzen zu sprechen: «In der Gemeinde Saanen gibt es viele Migrantinnen und Migranten, die im Gastrobereich und in der Hotellerie beschäftigt sind und somit oft unregelmässig arbeiten.» Vor drei Jahren hat die Fachstelle Diakonie gemeinsam mit dem damaligen Pfarrer Thomas Müller für die Migrant*innen eine Infoveranstaltung über das kinderspezifische Angebot in der Gemeinde organisiert. «An diesem Treffen kam ans Tageslicht, dass viele Menschen das Angebot zwar kennen, es aber aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht nutzen können.» Die Gemeinde habe die Anliegen aufgenommen und suche seither nach Lösungen.

Inzwischen seien die Tagesschulen gestärkt, Deutsch für Kinder im Vorschulalter eingeführt und mehr Betreuungsplätze geschaffen worden. Die Gemeinde müsse aber mit vielen bürokratischen Hürden kämpfen und komme deshalb nicht so schnell voran, wie sich das viele wünschten. Als besonderen Erfolg sieht die Sozialarbeiterin, dass die Diakonie offizieller Partner der Gemeinde und Bindeglied zu den Migrant*innen sei.

 

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Jenseits von Sprache, Kultur und Religion

Helen Hochreutener ist Präsidentin des Kirchgemeindeverbandes der röm.-kath. Kirchgemeinden im Pastoralraum Bern Oberland. Im Interview erklärt sie, welche Dienste am meisten in Anspruch genommen werden.

«pfarrblatt»: Weshalb wird die Diakoniestelle nach der Projektphase eingeführt?

Helen Hochreutener: Die Studie von vor drei Jahren hat bereits gezeigt, dass eine Diakoniestelle von allen Seiten sehr gewünscht wird. Die Gemeindeleitenden und Pfarrer haben so viele Aufgaben, dass sie sich nicht vertieft mit Sozialarbeit auseinandersetzen können. Elizabeth Rosario Rivas hat das Wissen und die Kapazität, um bei Anfragen die Hintergründe abzuklären, damit die Hilfe in die richtigen Hände gelangt.

Welche Aufgaben übernimmt Elizabeth Rosario Rivas?

Sie berät die Gemeindeleitenden und Pfarrer bei juristischen, finanziellen und gesellschaftlichen Fragen. Sie betreibt aber auch eine aufsuchende, sprich mobile, Sozialarbeit, die ungeachtet von Sprachen, Kulturen oder Religionen agiert. Sie ist ausserdem dafür verantwortlich, die örtliche Freiwilligenarbeit aufzubauen und zu fördern.

Was sagen die Zahlen, welche Themen waren am wichtigsten?

Die Auswertungen haben letztes Jahr ergeben, dass fast 40 Prozent der Anfragen finanzieller Natur waren, es ging aber auch um Themen wie Wohnen, Arbeit, Schulden und Familienangelegenheiten.

Wie finanziert der Pastoralraum die Sozialarbeit?

Grundsätzlich sind es die Kirchgemeinden. Da eine Stelle bei der Missione Cattolica Italiana stark reduziert wurde, halten sich die Mehrausgaben aber in Grenzen. Zusätzlich gibt es einen Fonds von 12 000 Franken, über den die Sozialarbeit jährlich verfügen kann. Es gilt zu sagen, dass die Zuschüsse an strikte Auflagen gebunden sind. Da wir die Sozialarbeit eine extrem gute Sache finden, freuen wir uns sehr über die definitive Einführung. Sie kommt sehr vielen Menschen zugute. Uns ist die niederschwellige, professionelle Sozialarbeit wichtig!